plietsch! - Von Eulen und Lerchen

Ein Beitrag von Ines Strehlau und Friederike Meyn

Die Diskussion um unterschiedliche Schlaftypen, die sogenannten Chronotypen, ploppen in den letzten Jahren immer wieder in den Medien und der öffentlichen Diskussion auf. Die Studien sind eigentlich eindeutig: Ungefähr 10 Prozent der Menschen gehören zu den Lerchen-Typen, also Menschen, denen es leichter fällt morgens aufzustehen und loszulegen. Weitere 10 Prozent sind sogenannte Eulen-Typen, die zu späterer Tageszeit besser funktionieren und Leistung erbringen können. Die meisten Menschen, ca. 80 Prozent, werden allerdings weder dem einen noch dem anderen Extrem zugeordnet, sondern befinden sich irgendwo in der Mitte. Dieses Schlafverhalten ist genetisch vorbestimmt und darf nicht damit verwechselt werden, ob man abends spät ins Bett geht oder nicht.

Problematisch wird das Ganze nun, wenn Menschen beständig gegen diesen natürlichen Biorhythmus ankämpfen, sprich sich in Schule, Ausbildung und auf der Arbeit an die vorgesehenen Zeiten halten, obwohl es ihnen nicht guttut. Unsere Tagesabläufe sind eher für Lerchen gemacht. Sie haben gesellschaftlich oftmals auch einen besseren Ruf, wie Sprichwörter wie „Morgenstund' hat Gold im Mund'“ versinnbildlichen.

Das Thema ist auch uns  Grünen und anderen Akteur*innen nicht neu und wird immer wieder kontrovers diskutiert: Wie genau können diese Erkenntnisse in Bildungsinstitutionen berücksichtigt werden? Welche organisatorischen Konsequenzen könnte dies haben? Welche Rolle spielt die Abschaffung der Sommer- und Winterzeit in der Debatte?

2015 hat die Landesregierung Schleswig-Holstein einen Bericht veröffentlicht, der davon abrät, die Unterrichtszeit zentral festzulegen. Jede Schule kann dies für sich schon jetzt in der Schulkonferenz entscheiden. Es wird auf zusätzlichen Forschungsbedarf und organisatorische Schwierigkeiten hingewiesen.

Für uns ist das Thema allerdings noch nicht vom Tisch. Deswegen haben wir auf dem Landesparteitag im April 2018 auch den Beschluss gefasst, das Thema nochmal ins Parlament einzubringen, um für einen flexiblen Unterrichtsbeginn zu werben. Am 15. November haben wir als Teil unserer bildungspolitischen Reihe “plietsch!” zur Diskussion eingeladen, um fachlichen Input zu bekommen und mit Interessierten ins Gespräch zu kommen.

Zum einen hatten wir Dr. Christian Baier, Schlafexperte und Facharzt für Nervenheilkunde vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, eingeladen, um herauszufinden, welche ernsten und teilweise ungerechten Folgen das Ignorieren des natürlichen Schlafrhythmus haben kann. Christian Baier forscht schon seit Langem am Zusammenhang zwischen Chronotypen und psychologischen Erkrankungen. Einer seiner Studien ergab, dass die Nichtberücksichtigung des genetisch vorbestimmten Chronotyps sogar soweit führen kann, dass es bei Spätaufsteher*innen, also Eulen, zu depressiven Verstimmungen kommt. Natürlich sind auch weitere Aspekte relevant, wie eine ausgewogene Ernährung, (sportliche) Aktivität bei Tageslicht, aktive Entspannung und ein mäßiger Konsum von blauem Licht, das von Smartphones, Tablets und auch LED-Lampen ausgeht – vor allem vor dem Schlafengehen, da das blaue Licht die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin mindert.

Zum anderen hatten wir Wilfried Bock zu uns eingeladen. Er ist Schulleiter an einem Gymnasium in Alsdorf/Nordrhein-Westfalen, das seit einiger Zeit das sogenannte Dalton-Modell oder auch die Dalton-Pädagogik umsetzt. Das Dalton-Modell geht auf individuelles Lernverhalten ein, bei dem Jugendliche zum großen Teil selbst bestimmen, wann sie wieviel und zu welchem Thema lernen. Für die Umsetzung dieses Modells bekam die Schule 2013 den deutschen Schulpreis verliehen. Das interessante an diesem Modell ist, dass zusätzlich auf unterschiedliches Schlafverhalten eingegangen werden kann, zumindest in der Oberstufe. In der Pubertät, also im Alter zwischen 13 und 25 Jahren, wird das Schlafhormon Melatonin ein bis zwei Stunden später ausgeschüttet. Das heißt, pubertierende Jugendliche schlafen bis zu zwei Stunden später ein als Erwachsene. Dann brauchen sie zwischen 8 und 10 Stunden für einen erholsamen Schlaf. Kurz gesagt, um 8.00 Uhr, wenn die erste Stunde beginnt, schlafen Jugendliche im Grunde noch.

Wie kann das aber jetzt in Schule umgesetzt werden, ohne dass der Unterricht einfach nur um eine Stunde nach hinten verlegt wird? Wilfried Bock nutzt dafür das Dalton-Modell, mit dem in der Oberstufe aufgrund unterschiedlicher Stundenpläne und Freistunden die Unterrichtsstunden flexibel hin- und hergeschoben werden können. Die Schüler*innen entscheiden selbst, ob sie früh oder später ihren Schultag starten. Das funktioniert ausgezeichnet, das Lernen wird individueller, gesünder und letztendlich zufriedenstellender für Lehrkraft und Lernende.

Viel mehr Schulen sollten so mutig sein, derartige wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen. In Schleswig-Holstein sind die Voraussetzungen zwar teilweise etwas anders als in Nordrhein-Westfalen, aber das Alsdorf-Gymnasium ist nichtsdestotrotz ein tolles Beispiel dafür, wie Schule besser gelingen kann. Das Dalton-Modell und die Gleitzeit führen dazu, dass selbstverantwortliches Lernen in den Mittelpunkt gerückt und Schule verstärkt die Bedürfnisse der Schüler*innen einbezieht. So kann man leichter seinem individuellen Biorhythmus folgen. Und wer seinem Biorhythmus folgt, lebt gesünder.

Die bildungspolitische Veranstaltungsreihe „Plietsch“ wird circa zweimal im Jahr durchgeführt. Wenn ihr Themenvorschläge für die nächste Veranstaltung habt, meldet Euch gern bei uns unterfraktion@gruene.ltsh.de. Über die gleiche Mail-Adresse nehmen wir auch immer gern weitere Interessierte in unseren Verteiler auf.

 

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