Minijobs sind erwerbsbiografische Falle

Landtagsrede zum Tagesordnungspunkt Arbeitsbedingungen für geringfügig Beschäftigte verbessern

Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Tietze:

In ihrer "Benchmarking Deutschland"-Studie von 2010 hatte die Bertelsmann-Stiftung festgestellt, dass Menschen, die im Minijob-Sektor arbeiten, sehr oft in eine Geringfügigkeitsfalle laufen. Im Gegensatz zu den tarifvertraglich abgesicherten und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, sind die Menschen mit Minijobs von niedrigen Löhnen, häufigen Arbeitsplatzwechseln, Jobverlusten und geringer Teilhabe an Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten betroffen. Die Untersuchung zeigt auch, dass es keinen sachlichen Grund für die abgabenrechtliche Privilegierung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gibt.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion vom Mai 2011 erklärt die Bundesregierung, dass sich die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten von 4,8 Millionen Menschen 2004 auf 4,9 Millionen Menschen leicht erhöht hat. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl geringfügig Beschäftigter im Nebenerwerb allerdings deutlich angestiegen von 1,7 Millionen Personen auf 2,4 Millionen.

Nach Aussage der Bundesregierung gelten für geringfügig Beschäftigte die gleichen Schutzrechte, die für alle ArbeitnehmerInnen bestehen. Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus, es gibt keine Gleichbehandlung. Ansprüche wie bezahlter Urlaub, Mutterschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden von ArbeitgeberInnen nicht gewährt und von den Beschäftigten nicht selbstbewusst eingefordert. Hier besteht Handlungsbedarf.

Minijobs spielen als Nebentätigkeit oder als ausschließliche Erwerbstätigkeit eine wichtige Rolle als Zuverdienst für das Haushaltseinkommen. Für ArbeitgeberInnen, gewerblich wie privat, sind Minijobs attraktiver als flexible und niedrig bezahlte Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Die Veränderungen in unserer Wirtschaftsstruktur hin zu Dienstleistungen haben den Zuwachs der geringfügigen Beschäftigung begünstigt.

Minijobs können wegen des geringen Verdienstes und der begrenzten Wochenarbeitszeit keine Existenz sichern. Die De-facto-Subventionierung des blühenden Minijob-Sektors durch Reduzierung der Abgabepflichten ist eine fatale Fehlentwicklung, sie hat Vollzeitarbeitsplätze zerstückelt, ein abgeschottetes Arbeitsmarktsegment ist entstanden. Den MinijobberInnen ist ein Aufstieg mit der Aussicht auf Mehreinkommen und Rentenansprüche jenseits der Grundsicherung verwehrt.

Wir halten einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der langfristig armutsfest sein muss, für besser. Mit einem allgemeinen Mindestlohn wäre auch der Bereich den Minijobs positiv betroffen.

Es gibt heute die weitverbreitete Situation, dass die SGB II-Grundsicherungsleistung durch Erwerbseinkommen aufgestockt wird oder geringe Verdienste mit dem bedürftigkeitsgeprüften Arbeitslosengeld II ergänzt werden. Dieser Zustand führt dazu, dass niedrige Bruttolöhne gezahlt und akzeptiert werden, der Restverdienst kommt ja vom Staat. Hier setzt ein Mindestlohn Grenzen.

Schon heute haben wir das Problem der zunehmenden Altersarmut. Für die nächsten zehn bis 20 Jahre wird es eine dramatische Zunahme der Altersarmut geben, das ist auf Grundlage der heutigen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und bei den Sozialversicherungssystemen nicht mehr zu verhindern.

Das Gutachten "Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf" vom Januar 2011 wurde von der Sachverständigenkommission für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung erstellt. Das Gutachten kritisiert die Minijobs als erwerbsbiografische Falle insbesondere für Frauen. Die Gutachter empfehlen die Abschaffung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit ihrer abgabenrechtlichen Sonderstellung.

Die Arbeitsverhältnisse des 21. Jahrhunderts werden plural differenziert sein, aber müssen den Anspruch auf dreifache Inklusion genügen: in ökonomischer Hinsicht sowie im Hinblick auf persönliche Entwicklung und soziale Integration. Dem Antrag der SPD stimmen wir zu.

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