Landtagsrede zum Thema Privatisierung der Wasserversorgung
Dazu sagt der europapolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Voß:
Auf EU-Ebene wird zurzeit über die Neuregelung des öffentlichen Vergaberechts beraten. Erstmalig sollen auch Regeln zur Konzessionsvergabe für den Bereich der Trinkwasserversorgung getroffen werden. Die bisher geplante Richtlinie birgt die Gefahr einer Privatisierung gegen den Willen der Kommunen, denn sie erschwert die Vergabe an Stadtwerke. Selbst wenn diese noch zu 100 Prozent in öffentlicher Hand sind, was nicht bei allen der Fall ist, könnte die Richtlinie greifen und die Kommunen zu einer Ausschreibung zwingen.
Fotoaktion der Grünen Landtagsfraktion gegen die Wasserprivatisierung
In Schleswig-Holstein haben ca. 40 von 50 Stadtwerken eine privatrechtliche Unternehmensform. Es handelt sich in den meisten Fällen um Mehrspartenbetriebe, die neben der Wasserversorgung auch für Strom und Gas zuständig sind. Die Ausnahmeregelung für 100-prozentige kommunale Unternehmen gilt aber nur, wenn 80 Prozent des Gesamtumsatzes des Konzessionsgebers mit der Wasserversorgung erwirtschaftet werden.
Auch wenn EU-Wettbewerbskommissar Barnier gestern in Teilen eingelenkt hat. Es bliebe infolge der bei uns verbreiteten interkommunalen Zusammenarbeit eine hohe Rechtsunsicherheit für die kommunale Ebene. Daher auch unsere Bitte an die Landesregierung gemeinsam mit den Kommunen im Land eine Strategie zur Sicherung der Wasserversorgung in öffentlicher Hand zu erarbeiten.
Wasser ist weltweit zu einem Milliardengeschäft geworden. In Frankreich beziehen 80 Prozent der Bevölkerung bereits ihr Wasser von Privaten, anzuschauen in dem Film „Water makes money“. Dort kann man beobachten, wohin das Streben nach kurzfristiger Rendite bei der Wasserversorgung führt - jedenfalls nicht zu mehr Nachhaltigkeit und Investitionen für die Zukunft, und nicht mal zu günstigen Preisen. Außerdem erfährt man, dass der weltweite Marktführer bei Umweltdienstleistungen, Veolia, bereits in 300 Kommunen in Deutschland an der Wasserversorgung beteiligt ist. Eine davon ist Braunschweig, in Niedersachsen. Dort freut sich der Oberbürgermeister über 100 Millionen € Einnahmen aus dem Verkauf der Wasserversorgung, die zum Abbau der Schuldenlast verwendet werden, sagt er.
Aber Veolia hat den Kauf über Kredite finanziert, die dann von den abgezahlt werden, über die Wassergebühren. Und wie sieht es aus bei Neuinvestitionen in die Infrastruktur? Die werden ebenfalls aus Krediten finanziert, die Bürgschaft dafür übernimmt die Stadt, Veolia schreibt als Investor die Kosten ab, es haftet der Gebührenzahler. Ich hoffe, dass uns in Schleswig-Holstein solche Verhältnisse erspart bleiben!
Der Bundesrat hatte bereits im März letzten Jahres den Richtlinienvorschlag eindeutig abgelehnt. Der Bundestag hat mit seiner schwarz-gelben Mehrheit trotz Änderungsanträgen von Grünen und SPD keine klare Haltung eingenommen.
Die schwarz-gelbe Regierung in Berlin hat in Brüssel dann auch eine entsprechende Haltung eingenommen. Federführend bei den Verhandlungen im Rat in Brüssel ist der Bundeswirtschaftsminister, irgendeiner von der FDP. In der letzten Woche ist in mehreren Ausschüssen im Bundesrat erneut über das Thema beraten worden. Die Forderung, die Trinkwasserversorgung aus der Richtlinie rauszunehmen, ist erneut und sogar einstimmig bekräftigt worden. Ich freue mich über dieses klare Votum der Länder. Gleichzeitig muss ich mich aber auch wundern. Ohne politische Mehrheiten kommen Beschlüsse nicht zustande, weder im Rat noch im Parlament, auf EU-Ebene genauso wenig wie woanders.
Die Grünen im Europaparlament haben Anträge in den zuständigen Binnenmarkt-Ausschuss des Europaparlamentes eingebracht, die die Herausnahme der Wasserversorgung aus der Richtlinie zum Ziel hatten. Die Anträge wurden durch die Mehrheit aus Liberalen, Konservativen und leider auch vieler Sozialisten abgelehnt.
Noch ist nichts entschieden. Im EU Parlament steht dieser Punkt im Mai auf der Tagesordnung.
Die Wende des EU-Kommissar Barnier von gestern schafft bessere Vorausetzungen für den sogenannten Trilog zwischen EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission. Die politische Arbeit von Vielen in den Parlamenten der Regionen trägt Früchte. Ein besonderer Erfolg aber für die EBI, die Europäische Bürgerinitiative. Dieses Instrument der europäischen Bürgerbeteiligung gibt es erst seit dem 1. April 2012. Über eine Millionen Unterschriften in über sieben Länder sind schon zusammen. Dank den Initiatoren. Viele Abgeordnete und manche Minister quaken rum, wie weit weg Europa sei. Die europäische Bürgerinitiative macht deutlich, wie auch in Europa BürgerInnen gestalten können.