Landesregierung blockiert EU-Regelung für höhere Sicherheitsstandards und unabhängige Kontrolle bei Offshore-Ölförderung

Landtagsrede zum Thema EU-Verordnung über Offshore-Aktivitäten zur Prospektion, Exploration und Förderung von Erdöl und Ergas verbessern

Dazu sagt der europa- und meeresschutzpolitische Sprecher, Bernd Voß:

Derzeit stammen über 90 Prozent des in der EU und Norwegen geförderten Erdöls aus der Offshore-Förderung. In der Nordsee gibt es mehr als 1.000 Öl-Förderplattformen. Jede dieser Plattformen ist ein Risiko für die Meeresumwelt. Öl, das bei einem Unfall freigesetzt wird, macht vor Landesgrenzen nicht halt. Selbst wenn wir heute beschließen, die Ölförderung im Wattenmeer sofort einzustellen, wären unsere Gewässer und Küsten nicht sicher vor einer Ölpest. Das Öl wird knapper, die Suche nach Öl verlagert sich in tiefere Meeresbereiche.

Seit der "Deep Water Horizon" kann wohl jeder ermessen, was das bedeutet. In größeren Tiefen heißt auch, immer weiter weg von den Küsten. Auch vor den Shetland- und den Färöer-Inseln wird bereits in über 1.100 Metern Tiefe nach Öl gebohrt. Mit dieser EU-Verordnung würden Regeln für Offshoreaktivitäten in der Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), also bis zu 200 Seemeilen, 370 km, vor europäischen Küsten, geschaffen.

Bisher operieren Anlagen außerhalb der 12-Seemeilenzonen weitgehend unbehelligt von Genehmigung, Sicherheitsauflagen, unabhängiger Kontrolle und Haftungsregeln. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb ist es gut so, dass die EU-Kommission jetzt endlich diesen Vorstoß gemacht hat. Sie reagiert damit auf die Katastrophe im Golf von Mexiko. Seitdem wurde eine Risikoanalyse durchgeführt. Ergebnis: alle zehn Jahre tritt eine schwere Havarie, vergleichbar mit der im Golf von Mexiko, auf. Kosten dafür sogar nach BP-Angaben über 30 Milliarden Euro. Die vorhandenen Rechtsvorschriften für Genehmigung, Sicherheit und Haftung bei Umweltschäden sind unzureichend, uneinheitlich, fragmentiert oder nicht vorhanden. Auf bis zu 950 Millionen Euro jährlich schätzt die EU-Kommission allein den wirtschaftlichen Schaden durch laufende Vorfälle auf europäischen Offshore-Anlagen.

Zwei Dinge liegen auf der Hand:

1. Bei der Genehmigung, Kontrolle und Sicherheit von Ölplattformen im Meer gibt es gravierende Mängel

2. Auf nationaler Ebene kann dieses Problem nicht gelöst werden, ein europäisches Vorgehen ist notwendig. Wir befassen uns hier mit der Frage der Subsidiarität.

Also müssen wir zwei Dinge klären: Erstens: ist die EU die geeignete Ebene? Und zweitens: ist die EU befugt, diesen Bereich zu regeln, oder greift sie in unzulässiger Weise in die Kompetenzen von Bund und Ländern ein?

Den ersten Punkt habe ich schon abgearbeitet. Ja, und besonders wegen der Betroffenheit Schleswig-Holsteins als Land zwischen den Meeren können wir nur für eine europäische Verordnung streiten. Zur zweiten Frage: ich will keine langen juristischen Ausführungen machen. Ich stelle aber fest, die Bundesregierung hat die Frage klar beantwortet. Ich zitiere den Bewertungsbogen des Bundeswirtschaftsministeriums: "Subsidiaritätsprinzip wurde beachtet". Morgen wird im Bundesrat abgestimmt.

An vorderster Front bei den Subsidiaritätsbedenkenträgern: Niedersachsen, und leider auch Schleswig-Holstein, das sich dem niedersächsischen Antrag im Bundesrat angeschlossen hat. Diese Länder haben eine gemeinsame Behörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover.

Das Landesbergbauamt ist, "effizient […] und hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Verwaltungspraxis bewährt", so steht es jedenfalls im Antrag Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Ich bin mir sicher: RWE/DEA würde diesen Satz sofort unterschreiben. Denn es war die gleiche Behörde, die letztes Jahr die Lizenz zur Erdölförderung im Nationalpark Wattenmeer um sage und schreibe 30 Jahre verlängert hat, Möglich mit einem reformbedürftigen, rückwärtsgewandten deutschen Bergrecht, das kaum Abwägung von Rechtsgütern kennt und EU-Recht für FFH- und Umweltverträglichkeitsprüfung aussperrt.

Wir haben auch inhaltliche Kritik am Verordnungsvorschlag. Er geht uns nicht weit genug, unter anderem weil Pipelines wie Nordstream nicht berücksichtigt sind, die Regelungen zur Haftung keine sichere finanzielle Haftung im Schadensfall garantieren, die Kontrollen nicht unabhängig genug gesichert sind und weil in Bezug auf Norwegen und andere nicht-EU-Staaten verbindliche internationale Vereinbarungen dringend erforderlich bleiben. Diese Landesregierung, und mit ihr die Koalitionsfraktionen, sind nur allzu schnell bereit, das Subsidiaritätsargument aus dem Ärmel ziehen, wenn sie sinnvolle Vorschläge aus Brüssel abwehren wollen.

Brasilien droht heute, den Chevron-Konzern wegen eines Offshore Unfalls vor der Küste von Rio aus dem Land zu werfen. Schleswig-Holstein möchte weiter autonom für Offshore-Ölborung zuständig sein. Es wehrt sich gegen eine europäische Verordnung, die anfängt dem Wildwest in den Ölfeldern ein Ende zu setzen. So wird sich Europa nicht weiterentwickeln können.

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