Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 60 – Fluthilfen nach der Elbe-Flut und
Hochwasserschutzmaßnahmen
Dazu sagt Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Bernd Voß
So viel Verwaltungsaufwand wie nötig und so wenig Aufwand wie möglich
Ein Jahr ist ins Land gegangen seit dem Rekordhochwasser der Elbe, von dem in Schleswig-Holstein besonders die Stadt Lauenburg schwer getroffen wurde. Die Altstadt stand unter Wasser, Schäden in Millionenhöhe sind entstanden - 27 Millionen Euro, so die Schätzungen für Schleswig-Holstein, davon 13 Millionen bei Privathaushalten und zwölf Millionen bei der kommunalen Infrastruktur.
Deutschlandweit belaufen sich die Schäden der Elbe-Flut sogar auf mehr als acht Milliarden Euro. Zur Hilfeleistung für Beseitigung der Schäden und Wiederaufbau wurde eigens ein Fonds eingerichtet. Und auch die EU beteiligt sich an den Kosten: aus dem Europäischen Solidaritätsfonds erhält Deutschland 360 Millionen Euro, davon gehen rund 960.000 Euro nach Schleswig-Holstein.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben jetzt seit Anfang Mai den schriftlichen Bericht der Landesregierung vorliegen zu den bereits geleisteten und noch zu leistenden Fluthilfen sowie den geplanten Maßnahmen im Hochwasserschutz für die Stadt Lauenburg. Ich danke der Landesregierung für diesen Bericht, auch wenn er noch einige Fragen offen lässt. Manche Fragen lassen sich auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten.
Ich kann den Frust der Betroffenen verstehen über komplizierte Verfahren bei der Beantragung der Gelder. Im Interesse aller Beteiligten sollte hier nach dem Prinzip vorgegangen werden, soviel Verwaltungsaufwand wir nötig und so wenig Aufwand wie möglich.
Und ich kann den Frust verstehen über noch nicht ausgezahlte Gelder für die kommunale Infrastruktur aus der Aufbauhilfe – da hat es offensichtlich Probleme gegeben, unter anderem durch die komplizierte Struktur des Aufbauhilfefonds.
Und die LauenburgerInnen wollen natürlich auch möglichst schnell Klarheit darüber, wie der Schutz der Altstadt zukünftig gewährleistet werden kann und wann mit den Maßnahmen dazu konkret begonnen wird.
Auf der anderen Seite kann ich aber auch verstehen, dass eine solche Maßnahme eine sorgfältige Planung erfordert. Eine technisch einfache, schnell umsetzbare und kostengünstige Patentlösung gibt es nicht, soviel steht wohl fest.
Ich halte den eingeschlagenen Weg, also Prüfung möglicher technischer Alternativen und Beteiligung der AnwohnerInnen bei der Auswahl der geeignetsten Variante, für richtig. Dass dabei auch die Finanzierbarkeit berücksichtigt werden muss, halte ich für selbstverständlich.
Die Mehrheit der BürgerInnen hat sich jetzt am vergangenen Wochenende für die Alternative „Öffentliche Hochwasserschutzlinie Elbufer“ (Hochwasserschutzwand an der Promenade) ausgesprochen. Geschätzte Baukosten dafür 50 Millionen, plus Betriebskosten nochmal 30 Millionen über 50 Jahre. Selbst der CDU-Bürgermeister von Lauenburg, Andreas Thiede räumt ein, dass die Kommune und das Land mit diesen Kosten überfordert wäre.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir waren uns nach der Flut im letzten Sommer hier im Hause über die Prioritäten einig: Vordringlich gilt es, schnelle und unbürokratische Hilfe für die direkt Betroffenen zu organisieren. Das ist passiert bzw. läuft noch, wenn auch nicht so unbürokratisch, wie man es sich wünschen würde.
Dann müssen technische Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes besonders gefährdeter, besiedelter Gebiete folgen. Und es ist klar, dass die historische Lauenburger Altstadt ganz oben auf der Liste steht. Auch da laufen die Planungen.
Darüber hinaus müssen wir aber auch erkennen, dass der technische Hochwasserschutz an Grenzen stößt, wenn nicht ein Umdenken erfolgt zu einem ganzheitlichen Hochwasserschutz, der nicht nur den gesamten Flusslauf mit Oberlauf, Mittellauf, Unterlauf, sondern das Gesamteinzugsgebiet der Flüsse, in diesem Fall der Elbe, einbezieht.
Die verheerenden Folgen des Elbehochwassers im letzten Sommer und die Schwierigkeiten, vor der wir in Lauenburg jetzt stehen, sind ja auch menschengemacht. Sie sind eine Folge des „Einzwängens“ des natürlichen Flussraumes der Elbe in immer engere Grenzen, eine Folge der Versiegelung der Landschaft und nicht zuletzt auch des Klimawandels.
Mir ist klar, dass dies unmittelbar kein Trost sein kann für die Betroffenen in Lauenburg und anderswo. Aber wir müssen uns trotzdem dieser Tatsache stellen und daraus auch die Konsequenzen ziehen. Das kann Schleswig-Holstein nicht allein, das geht nur in Zusammenarbeit mit Bund und Ländern und auch mit den Nachbarstaaten.
Ich appelliere daher auch an dieser Stelle an die Bundesumweltministerin, die für das nationale Hochwasserschutzprogramm die Federführung hat, dies zügig voranzutreiben und nicht nachzulassen, wenn ein paar Jahre ins Land gehen ohne große Flutkatastrophen.
Denn das haben wir in der Vergangenheit schon zu oft erlebt, dass als Maßnahmen im Bereich vorsorgender Hochwasserschutz angekündigte Tiger als Bettvorleger enden.