Die Partnerschaftsgewalt ist 2022 um 9,4 Prozent gestiegen!

Es gilt das gesprochene Wort!

Top 15 – Finanzierung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen durch den Bund weiter sicherstellen

Dazu sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleg*innen,

jeder Mensch hat das Recht, frei von Gewalt zu leben. Jede Frau hat dieses Recht. 42.816.000 Frauen leben in diesem Land. Und wenn jede vierte Frau in Deutschland zwischen 16 und 85 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen ist, dann sind das weit über 10 Millionen Frauen in unserer Gesellschaft, die aktuell Gewalt erfahren, sie erfahren haben oder noch erfahren werden. Und die Wahrscheinlichkeit, dass auch in diesem Raum betroffene Frauen sitzen ist immens hoch.

Diese Zahl und diese Tatsachen machen mich unfassbar wütend. Weil sich daran seit Jahren nichts ändert – und die Gewalt in Partnerschaften laut BKA im Jahr 2022 noch weiter angestiegen ist – nämlich um 9,4 Prozent. Das ist inakzeptabel!

Die Gewalt geht weiterhin überwiegend von Männern aus. Und Frauen sind überwiegend davon betroffen. Ich frage mich wieder und wieder: warum? Warum denken in einem modernen Land und in einer emanzipierten Gesellschaft immer noch so viele Männer, dass es ok sei, eine Frau zu bedrohen, sie zu schlagen, zu vergewaltigen oder ihr das Leben zu nehmen? Und vor allem: damit auch ohne Konsequenzen durchzukommen – strafrechtlich und oftmals auch umgangsrechtlich hinsichtlich der gemeinsamen Kinder.

Für mich ist klar: Wir müssen noch stärker präventiv arbeiten. Und wir müssen konsequenter gegen Täter*innen vorgehen und unser Hochrisikomanagement landesweit ausbauen – im Übrigen im Hinblick auf die gesamte häusliche Gewalt – also die Partnerschaftsgewalt und die innerfamiliäre Gewalt.

Ich bin froh, dass es uns mit dem Haushalt 2023 gelungen ist, erstmalig eine Förderung für die 201a-Beratungsstellen nach polizeilicher Wegweisung in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. Das sind immerhin bis zu 12.500 Euro pro Beratungsstelle. Die Förderrichtlinie wird gerade fertig gestellt. Das war ein sehr wichtiger Schritt und auf diesen Erfolg bin ich stolz. Auch mit dem Aufbau des Kompetenzzentrums gegen geschlechtsspezifische Gewalt gehen wir als Land den richtigen Weg. Die Organisationsberatung beim LFSH konnte zum 1. Juli die Arbeit beginnen und berät nun Behörden und Unternehmen darin, strukturelle Gewalt abzubauen.

Das sind wichtige Schritte. Aber genug ist das nicht! Wir müssen das Hilfesystem weiter stärken und absichern. Wir Schleswig-Holsteiner*innen haben schon vor Jahren klargestellt, dass Schutz und Hilfe bei Gewalt keine freiwillige Aufgabe der öffentlichen Hand sein kann, sondern institutionalisiert sein muss. Deshalb haben wir einen Teil der Finanzierung der Frauenfacheinrichtungen über das Finanzausgleichsgesetz abgesichert. Das ist richtig und im Vergleich zu anderen Bundesländern auch sehr fortschrittlich. Land und Kommunen tragen gemeinsam Verantwortung.

Aber gleichzeitig ist es so, dass die Frauenfacheinrichtungen weiterhin finanziell kämpfen, der Personalschlüssel zu niedrig ist und die Aufgaben immer komplexer werden. Weil aufenthaltsrechtliche Fragen hinzukommen, weil fehlender Wohnraum den Übergang aus den Frauenhäusern erschwert und weil immer mehr Kinder mit ihren Müttern betroffen sind und in unserem Umgangsrecht häusliche Gewalt nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Aus meiner Sicht ist es deshalb nur folgerichtig, dass wir uns die Höhe des Vorwegabzugs im Zuge der FAG-Regelüberprüfung ernsthaft anschauen und prüfen, wie bedarfsgerechter finanziert werden kann. Die sogenannten zusätzlichen Landesmittel für Frauenfacheinrichtungen im Integrationsbereich sind etwa 750.000 Euro, die von Ministerin Sütterlin-Waack damals eingeführt wurden und seit da an jährlich verlängert werden. Diese müssen verstetigt werden – um endlich Planungssicherheit und sicherere Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen.

Aber: Land und Kommunen allein werden es finanziell nicht schaffen, sich der häuslichen Gewalt entgegenzustellen. Wir brauchen den Bund fest an unserer Seite. Deshalb fordern wir die Weiterführung des Bundesförderprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ über das Jahr 2024 hinaus. Und ich möchte die Bundesebene ausdrücklich auffordern, endlich das anzuerkennen, was wir in Schleswig-Holstein schon vor Jahren getan haben: dass wir strukturelle Probleme nicht mit freiwilligen Aufgaben und befristeten Programmen lösen werden. Auch auf Bundesebene brauchen wir eine institutionalisierte Förderstruktur, die von politischen Mehrheiten und Haushaltslagen weitestgehend unabhängig läuft. Das ist angesichts des Erstarkens von Rechts im Übrigen wichtiger als je zuvor.

Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist – spätestens mit der Istanbul Konvention – eine gesetzliche Aufgabe geworden. Und solange es Gewalt an Frauen gibt und die Zahlen weiter ansteigen, wird es notwendig sein, das Schutzsystem auszubauen.

Die Umsetzung ist also nicht optional. Sie ist eine staatliche Pflicht. Arbeiten wir als Land und Bund Hand in Hand gemeinsam an der Stärkung der Frauenfacheinrichtungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita