Nach Wegen suchen, um Minderheiten- und Regionalsprachen auch vor Gericht möglich zu machen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 18 – Gebrauch von Minderheiten- und Regionalsprachen auch vor den Gerichten – Bundes-ratsinitiative für eine Ausweitung des § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes

Dazu sagt der minderheitenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Dirk Kock-Rohwer:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

ich persönlich habe große Sympathien für den Antrag des SSW. Ich stand bereits des Öfteren hier vorne und habe betont, wie wichtig die Minderheiten hier im Land für unsere Identität sind. Dabei kommt insbesondere der Sprache eine große Bedeutung zu. Deshalb scheint es auch nur folgerichtig, den Minderheiten im Land die Möglichkeit einzuräumen, vor Gericht in ihrer vertrauten Sprache zu sprechen.

Ich könnte mir gut vorstellen, den angesprochenen Paragrafen 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes dahingehend zu ändern, dass grundsätzlich Regional- und Minderheitensprachen vor Gericht zulässig sind. Das wäre nur konsequent und entspricht auch dem Kurs, den Schleswig-Holstein im Umgang mit seinen Minderheiten eingeschlagen hat.

Aber ganz so einfach ist es dann in der Verwaltungspraxis eben doch nicht. Es gibt verschiedene Aspekte zu bedenken. Wir leiden deutschlandweit, auch in Schleswig-Holstein, unter einem eklatanten Mangel an Richter*innen. Die Justiz ist überlastet und steht unter einem enormen Druck. Schon jetzt können Fälle oft nicht bearbeitet und Fristen nicht gehalten werden. Auch Sachsen kennt das Problem gut. Dort kommt allerdings noch hinzu, dass auch sorbische Richter*innen fehlen.

Mine leeben Kolleg*innen,

wenn öllere Lüüd tun Bispeel för Gericht utseggen schüd, denn is de Opregung sowieso schon groot und denn is dat för düsse Minschen lichter in eere Moddersproak de Soaken to verkloren as dat denn op Hochdütsch to versöken. Von doher sünd wie uns mit den SSW eenig.

Bloß wie dat gohen schall, kann ick noch nich verstahn. Wii könnt nii von alle Richterslüüt verlangen, dat se alle Spraken vun de Minderheeten in SH leernt, und Öbersetten kost Geld und brukt ok Minschen mit Sachverstand. Vun dorher is dat richtich, düssen Andrach in den Utschuss to öberwiesen und ick bin gespannt op de Anregen vun de antohörenden Gruppen.

Und wenn wir dort schon dieses wichtige Thema aufgreifen, dann möchte ich gerne einen weiteren Aspekt ergänzen. Wie steht es eigentlich mit der Anerkennung der Gebärdensprache als legitimer Gerichtssprache?

„Audismus“, das ist die Diskriminierung durch Hörende, und immer mehr gehörlose Menschen fordern ihr Grundrecht auf Teilhabe. Rund 80.000 Menschen in Deutschland sind gehörlos und etwa 250.000 Menschen nutzen die Gebärdensprach, darunter auch schwerhörige Menschen.

Das Behindertengleichstellungsgesetz erkennt die Deutsche Gebärdensprache offiziell als eigenständige Sprache an. Auch hier geht es um eine Minderheit, die vollkommen zurecht ihren Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe geltend macht. Verstehen Sie mich nicht falsch. Mir sind die Herausforderungen klar, die sich auch hier stellen. Auf einige davon bin ich bereits eben eingegangen. Ich möchte nur sensibilisieren für ein wichtiges Thema, das weit größer ist, als es zunächst scheint, und das den Antrag des SSW übersteigt.

Nehmen wir den Antrag deshalb als einen guten Impuls, uns gründlich damit auseinanderzusetzen, und schenken wir einem Thema Aufmerksamkeit, das Aufmerksamkeit verdient hat.

Vielen Dank.

Dirk Kock-Rohwer

Sprecher für Landwirtschaft, Forsten, Tierschutz, Katastrophenschutz, Bundeswehr, Verbraucher*innenschutz, Niederdeutsch und Minderheiten