Radschnellwege dort ambitioniert angehen, wo sie als Teil eines Gesamtnetzes verkehrlich besonders Sinn ergeben

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 17 – Landesweites Radverkehrsnetz strukturiert ausbauen

Dazu sagt die mobilitätspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen, Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleg*innen, 

die Hälfte der Strecken, die wir in Deutschland zurücklegen, sind kürzer als fünf Kilometer, zwei Drittel sind kürzer als zehn Kilometer. Diese Zahlen sind meine Lieblingszahlen aus dem Verkehrsbericht des Bundes, denn sie zeigen: 

Das Fahrrad ist nicht nur ein Freizeit- oder Urlaubsverkehrsmittel. Und es taugt auch nicht nur für die Stadt. Das Fahrrad kann unser tägliches Mobilitätsbedürfnis problemlos erfüllen.

Das tut es jedoch noch bei weitem nicht. Im Gegenteil: Die meisten dieser Strecken werden nach wie vor mit dem Auto zurückgelegt. Und das, obwohl statistisch gesehen das Fahrrad auf Strecken unter fünf Kilometern, also der Hälfte aller Strecken, sogar das schnellste Verkehrsmittel ist.

Fahrradfahren ist gesünder, besser fürs Klima und oft schneller. Wieso aber entscheiden sich immer noch viele Menschen dagegen?

Dafür gibt es gute Gründe: Fehlende Infrastruktur, mangelnde Sicherheit, die andauernde Benachteiligung des Fahrrad- gegenüber dem Autoverkehr, nicht ausreichend Abstellmöglichkeiten. Viele Aspekte sorgen weiter dafür, dass Menschen sich nicht für das Fahrrad entscheiden. Und das selbst dann, wenn die Strecke kurz ist.

Doch auch auf längeren Wegen haben Radschnellverbindungen großes Potenzial. Direktverbindung, breite Wege und durchgängig Vorfahrt. Wer möchte das nicht? Autobahnen zeigen uns seit Jahrzehnten, wie attraktiv solche Verbindungen sind. Doch für den Radverkehr sind sie nach wie vor die Ausnahme.

Doch ich möchte auch warnen. Und zwar davor, sich beim Ausbau von Radinfrastruktur zu sehr und ausschließlich auf Radschnellverbindungen zu konzentrieren.

Oft müssen für Radschnellwege viele Flächen gekauft werden. Strecken müssen völlig neu gebaut und versiegelt werden und viele Gemeinden in ihren Interessen zusammengebracht werden. Denn die Planungshoheit liegt nach wie vor bei den Gemeinden. Und nicht zuletzt sind Radschnellverbindungen mit circa einer Million Euro Kosten pro Kilometer der Champagner unter den Radwegen. 

Ich glaube, allen ist klar, dass ich dem Fahrradverkehr jeden Champagner gönne, aber es muss eben auch klar sein, dass Radschnellwege selbst bei allen Bemühungen die Zeit und die Hürden bis zur Fertigstellung von anderweitigen Radwegen bei weitem übersteigen. Und die Zeit, auch das wiederhole ich gern immer wieder, bis wir auch im Verkehrssektor klimaneutral sein müssen, ist extrem knapp.

Ich halte es für richtig, Radschnellwege ambitioniert anzugehen, aber eben dort, wo sie als Teil eines Gesamtnetzes verkehrlich besonders Sinn ergeben und nicht isoliert betrachtet, mit einem eigenen Netzplan. 

Ich denke, es ist deutlich zielführender, Radschnellverbindungen als ein Instrument eines integrierten landesweiten Radverkehrsnetzes zu sehen und zu planen.

Genau das tun wir und mit dem aktualisierten LRVN sind wir auf der Zielgeraden. Der LRVN denkt die verschiedenen Arten von Fahrradinfrastruktur vernetzt und prüft, wo besondere Potenziale von Pendler*innenströmen für mögliche Radschnellwege liegen. Diese werden aufgenommen und das – und auch diese Forderung finde ich sehr berechtigt – nicht nur im Hamburger Rand, sondern überall dort, wo sie verkehrlich Sinn ergeben und vor Ort erwünscht sind. 

Gleichzeitig müssen wir alles daransetzen, Radschnellverbindungen gezielt in die Umsetzung zu bringen – und das vor allem finanziell und planerisch. Trassenbündnisse können dafür ein wichtiges Mittel sein, die Interessen der einzelnen Gemeinden zu vereinen. Bringen uns diese aber nicht weiter oder brauchen einfach zu viel Zeit, dann sollten wir allerdings auch diskutieren, ob wir Radschnellwege nicht rechtlich höher einstufen, um deren Planung und Umsetzung aus einer Hand zu ermöglichen. Auch auf Kreisebene braucht es Unterstützung für das schnelle Voranbringen der Radschnellwege.

Und natürlich brauchen wir vor allem wie immer eines: Geld. Mit den 20 Millionen Euro machen wir einen großen ersten Schritt. Doch wir brauchen auch eine gesicherte Förderung aus dem Bund, sonst wird die Umsetzung scheitern. Und wenn wir Radschnellwege nicht nur in den Metropolregionen, sondern auch im ländlichen Raum oder in Grenzregionen verorten wollen, wird das mit der Mindestanzahl an Radfahrenden für eine Bundesförderung eine echte Herausforderung. Das zeigt sich bereits jetzt in stärker bevölkerten Regionen Schleswig-Holsteins.

Ich finde den Grundgedanken des Antrags gut. Allerdings möchte ich die Inhalte viel lieber als integrierten Teil unseres landesweiten Radverkehrsnetzes sehen. Und wenn Kommunen Interesse an einem Radschnellweg haben, dann werden sie auch die Gelegenheit bekommen, diesen in den kommunalen Beteiligungsverfahren zum LRVN einzubringen. 

Vielen Dank.

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung