Der Vorschlag der EU-Kommission zur Chatkontrolle ist rechtlich problematisch und nicht zielführend 26. Januar 202426. Januar 2024 Es gilt das gesprochene Wort! TOP 16 – Rechtsstaatlicher Schutz unserer Kinder im Netz Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jan Kürschner: Sehr geehrte Präsidentin,sehr geehrte Damen und Herren, es ist beschämend: Europa ist das Drehkreuz bei der Verbreitung von Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Mindestens zwei Drittel an Webseiten – wahrscheinlich wesentlich mehr – mit entsprechenden Inhalten befinden sich auf Servern innerhalb der Europäischen Union. Das macht mich wütend und fassungslos. Ich erinnere mich, dass ich bereits in meiner ersten Rede dazu darauf hingewiesen haben, wie sehr mich dieses Thema umtreibt. Schon damals konnte ich darauf verweisen, dass die Bekämpfung des Besitzes und der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen ein Schwerpunkt in unserem Koalitionsvertrag ist. Entsprechende Schritte sind wir mit der Schaffung neuer Stellen bei der Landespolizei inzwischen gegangen und werden diesen Weg weiterverfolgen. Ich begrüße die öffentliche und politische Auseinandersetzung mit dem Thema und ich bekunde ausdrücklich mein Verständnis und meinen Respekt gegenüber allen Bemühungen, die einen verbesserten Schutz unserer Kinder und Jugendlichen nach sich ziehen sollen. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Chatkontrolle ist allerdings rechtlich problematisch und nicht zielführend. Wie erst jüngst berichtet wurde, hat ein Anbieterunternehmen für entsprechende Software unter Einsatz großer Mittel in Brüssel dafür lobbyiert. Er ist rechtlich problematisch, weil eine anlasslose Telekommunikationsüberwachung einen erheblichen Eingriff in die persönlichen Grundrechte darstellt. Allen, die an der Diskussion teilnehmen, ist dies bewusst, doch wird hier mitunter eine Güterabwägung vorgenommen, die nicht zulässig ist. Grundrechte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen steht das Grundrecht auf freie Kommunikation gegenüber, das – und das sei an dieser Stelle betont – übrigens auch für Kinder und Jugendliche gilt. Genau darauf hat Joachim Türk, der Sachverständige des Kinderschutzbundes, hingewiesen und es als „unmöglich“ bezeichnet, die Chatkontrolle als „Option zu akzeptieren“. Nicht zielführend ist der Vorstoß der EU-Kommission, da sich hier ein unangebrachtes Technikvertrauen offenbart: Trotz allen technischen Fortschritts ist bei der Fehleranfälligkeit der angedachten automatisierten Verfahren eine Flut von Falschmeldungen zu erwarten. Legen wir eine vermutete Fehlerrate von einem Prozent zugrunde, werden beim Scan von einer Million Bilddateien 10.000 Falschmeldungen generiert. Diese müssen händisch überprüft werden, mit zwei Folgen. Erstens läuft hierbei in beispielloser Dimension vollkommen legale, private Kommunikation durch Hände, für die sie nicht bestimmt ist. Zweitens ist mit einer Überlastung der Ermittlungsbehörden bis hin zum Kollaps zu rechnen. Wir haben bei uns im Land die zusätzlichen Stellen bei der Landespolizei nicht geschaffen, um diese Beamt*innen als Fehlerfilter für unausgereifte Technik zu degradieren. Sie sollen ihre eigentliche Arbeit leisten können. Nehmen wir bitte auch zur Kenntnis, was von Seiten der Ermittlungsbehörden geäußert wird. So weist der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass ein derart umfassender Eingriff wie von EU-Kommission geplant, nicht erforderlich sei. Vielmehr sollten die derzeit unzureichend aufgestellten Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden. Wenn Daten- oder Verbraucherschützer*innen anlässlich eines geplanten Eingriffs in das Grundrecht auf freie Kommunikation mahnend den Zeigefinger heben, ist das nicht überraschend. Hellhörig sollten wir werden, wenn zu den Vorschlägen der EU-Kommission selbst aus einem Interessenverband wie dem Kinderschutzbund und sogar aus Reihen der Strafverfolgungsbehörden Kritik geäußert wird. Im Sommer letzten Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung endgültig den Garaus gemacht. Lassen Sie uns nicht die nächste blutige Nase von den Gerichten abholen. Lassen Sie uns, wenn es um den Schutz der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft geht, eine Politik verfolgen, die der gerichtlichen Überprüfung standhält und die eine effektive Wirkung zeigt. Wir befinden uns mit den von der Koalition beschlossenen Maßnahmen auf dem richtigen Weg. Der von der EU-Kommission beschrittene führt in die Irre. Vielen Dank! Jan Kürschner Sprecher für Innen, Recht, Medien, Datenschutz, Open Data Webseite von Eka von Kalben Eka von Kalben auf Instagram Eka von Kalben auf Facebook E-Mail an Eka von Kalben Mehr erfahren