Das neue Opferentschädigungsrecht berücksichtigt gesellschaftliche Entwicklungen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 22 – Bericht zum Opferentschädigungsgesetz

Dazu sagt der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jan Kürschner:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,

ein “Recht auf soziale Entschädigung hat in Deutschland jede Person, die einen gesundheitlichen Schaden erleidet, für dessen Folgen die Gemeinschaft in besonderer Weiseeinzustehen hat.“ So steht es im Bericht der Landesregierung.

Ursprünglich ging es beim Sozialen Entschädigungsrecht in erster Linie um Kriegsopfer oder deren Hinterbliebene. Hinzu kamen dann Ansprüche von Wehrdienst- und Zivildienstbeschädigten, Impfgeschädigten, Opfern von staatlichem Unrecht in der DDR, sowie Opfern von Gewalttaten und deren Hinterbliebenen. Für jede Zielgruppe gab es ein eigenes Gesetz: Bundesversorgungsgesetz, Zivildienstgesetz, Infektionsschutzgesetz, SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, Opferentschädigungsgesetz.

Das ist eine Vielzahl von Gesetzen und ein Wirrwarr von einzelnen Regelungen, die aber letztendlich alle dem gleichen Zweck dienen: Personen zu entschädigen, die einen gesundheitlichen Schaden erleiden, für dessen Folge die Gemeinschaft in besonderer Weise einzustehen hat. Das geht auch einfacher. Deshalb hat die Bundesregierung die unterschiedlichen Regelungen in einem Gesetz zusammengefasst und dies in den Kanon der Sozialgesetzbücher als neues SGB XIV eingegliedert. Das ist gut und richtig und war lange überfällig.

Der Schwerpunkt der Entschädigungen hat sich verändert und die Anzahl der Antragstellenden ist gestiegen. Weg von den Folgen von Kriegen hin zu den Folgen von Gewalt innerhalb der Gesellschaft, wie dem schlimmen Ereignis in Brokstedt. Keiner kann aktuell sagen, wie sich dies in Zukunft gestaltet. Wir alle hoffen, dass wir erfolgreicher werden, was Gewaltprävention angeht. Zu den neuen Regelungen: Es ist mehr passiert als eine formale Systematisierung. Es gab fachliche und qualitative Änderungen durch die Novellierung. Das neue Opferentschädigungsrecht berücksichtigt veränderte gesellschaftliche Entwicklungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Erkenntnisse aus den bisherigen Regelungen des sozialen Entschädigungsrechtes.

Gut ist, dass die Leistungen jetzt anrechnungsfrei sind und in der Höhe nach oben angepasst worden sind. Eigenes Einkommen und Vermögen muss nicht mehr eingesetzt werden. Empfänger*innen können zwischen einer monatlichen Leistung und Einmalzahlungen wählen. Sogar Einkommensverluste können ausgeglichen werden. Ergänzt wurde neben der rein physischen Gewalt und deren Folgen auch der Anspruch bei Folgen psychischer Gewalt. Das ist ein großer Erfolg und ein Meilenstein.

Für Krankenbehandlung oder Pflege richten sich die Leistungen in Art und Umfang nach den entsprechenden Gesetzen, der Gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V und der sozialen Pflegeversicherung im SGB XI. Aber es können bei darüberhinausgehenden schädigungsbedingten Bedarfen auch weitergehende Leistungen bereitgestellt und deren Kosten übernommen werden.

Neu eingeführt wurden die „Schnellen Hilfen“, zum Beispiel im Rahmen von Trauma-Ambulanzen und das flankierende Fallmanagement. Das ist sehr gut und Schleswig-Holstein setzt dies schrittweise um. Wir haben mit dem Haushalt 2023 erstmalig 400.000 Euro für Präventionsambulanzen im Bereich Gewaltkriminalität bereitgestellt. Im Landesamt für soziale Dienste wurde das neue Fallmanagement aufgebaut, das Anspruchsberechtigte begleiten und unterstützen soll. Es ist organisatorisch und räumlich getrennt von der Antragsbearbeitung und -bewilligung und hilft Antragsteller*innen, ihre Ansprüche geltend zu machen. Das ist ein Novum!

In diesem Fallmanagement arbeiten vorerst zwei Menschen. Man mag meinen, dass sei wenig. Aber nicht alle anspruchsberechtigten Personen benötigen diese Form der Unterstützung und Begleitung. Zudem wurde auch in der Antragbearbeitung aufgestockt und fünf neue Stellen geschaffen. Dies ist angesichts der aktuellen Haushaltslage ein sehr guter Erfolg. Es wird sich zeigen, wie der Bedarf ist und welche Ressourcen nötig wären. Auf der Homepage des Landesamtes für soziale Dienste findet sich eine Vielzahl von Links und Verweisen zu Rechtsgrundlagen, Ansprechstellen und Informationen rund um das neue Opferentschädigungsrecht. Eine Broschüre für Betroffene ist in Erarbeitung und wird bald veröffentlicht. Der Austausch mit den relevanten Partner*innen, zum Beispiel dem Weißen Ring und innerhalb der Netzwerke – Stichwort runder Tisch – läuft. Auch Fortbildungs- und Informationsangebote, analog und digital, zum Beispiel für die Trauma-Ambulanzen, den Landesverband Frauenberatung oder bald auch für den Sozialverband VdK stehen bereit.

Ich finde, damit sind wir in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Jan Kürschner

Sprecher für Innen, Recht, Medien, Datenschutz, Open Data