Heute geht es los – wir bringen das neue Kitagesetz auf den Weg

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 6 – Gesetz zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes

Dazu sagt die kitapolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,

viele Eltern sind – so wie ich auch – auf eine äußerst verlässliche Kindertagesbetreuung angewiesen, um einem Job nachgehen zu können. Diese Verlässlichkeit, damit wir berufstätig sein können, ist der eine Wert der Kindertagesförderung für uns Eltern, denn wir müssen uns tagtäglich darauf verlassen können, dass unser Alltag auch funktioniert.

Aber noch viel wichtiger, ist es, dass es unseren Kindern gut geht und sie von klein an liebevoll begleitet und gefördert werden. Unser Kita-System kann und muss also viel mehr sein als bloße Betreuung – und das ist es auch: Individuelle Förderung und Bildung, Sprachentwicklung, gutes Essen, Geborgenheit, Vorlesen, Sozialraum, geschützter Raum – Kitas und Kindertagespflege bieten all das für unsere Kinder.

Wir haben in Schleswig-Holstein so viele Sozialpädagog*innen, Erzieher*innen, Sozialpädagogische Assistent*innen, Kindertagesmütter und -väter, Heilpädagog*innen, Sprachförderkräfte, Hauswirtschaftskräfte, Verwaltungskräfte und auch helfende Hände, die tagtäglich ihr Bestes geben, um Kita und Kindertagespflege gut zu gestalten.

Wie wichtig und wie anspruchsvoll diese Arbeit ist, muss viel stärker anerkannt werden! Und wir tun das. Das ist der Grund, warum wir so viel Zeit und Kraft in diesem Parlament dafür aufbringen und in 2025 über 750 Mio. Euro als Land in die Hand nehmen, um die Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in Schleswig-Holstein weiter zu verbessern.

Unsere Anerkennung ist der Grund dafür, warum die frühkindliche Bildung einer der wenigen Bereiche im Landeshaushalt ist, in den wir Geld investieren, anstatt zu kürzen. Trotz der schwierigen Haushaltslage. Und ich bin allen Kolleg*innen hier im Hause, die das unterstützen äußerst dankbar.

Damit dieses System aber gut funktionieren kann, ist vor allem eines unersetzlich:

die pädagogischen Fachkräfte – die Köpfe die aus Betreuung Bildung machen. Und diese Köpfe brauchen unser Vertrauen! Unser Vertrauen darin, dass sie vor Ort ganz genau wissen, wo sie gerade gebraucht werden und wie sie die Kinder am besten fördern.

Die Kita-Leitungen brauchen unser Vertrauen, darin, dass sie beurteilen können, wer wen bei Krankheit vertreten kann und wie die Situation am Nachmittag oder in Ferienzeiten ist, wenn weniger Kinder in der Kita anwesend sind, als für eine Gruppe eigentlich vorangemeldet. Die wissen, ob man zwei Gruppen zusammenlegen kann oder nicht, ob Randzeitengruppen gebraucht werden, was zu dem eigenen pädagogischen – vielleicht offenen – Konzept passt, welche sozialpädagogische Assistent*innen besonders erfahren ist und wer in der Lage ist, den Laden am Ende abzuschließen.

Dieses Vertrauen untermauern wir nun gesetzlich mit dem neuen Anstellungsschlüssel – durch weniger Vorgaben und mehr Flexibilität vor Ort eigenverantwortlich zu reagieren, damit Schließungen vermieden werden können.

Wir können und wollen als Politik nicht alles vorgeben und regeln. Die Evaluation und die Praxis haben uns die Rückmeldung gegeben, dass mit den strengen gesetzlichen Vorgaben der Kitareform ab 2021 zu hoher Druck entstanden ist.

Druck, der an die Fachkräfte weitergegeben wurde: in Form von Angst vor Geldrückforderungen, Sorge vor Insolvenzen, kaum Möglichkeit, Überstunden abzubauen und die zahlreichen Dokumentations- und rein formalen Anwesenheitspflichten unabhängig von der Anzahl der Kinder. Als Regierungskoalition haben wir uns entschieden, viel von diesem Druck rauszunehmen, aber die bisherigen Qualitätsstandards zu halten, in dem wir sie finanzieren.

Wir haben den Druck rausgenommen, denn wir brauchen: Menschen, die gesund und in ihrer Kraft bleiben, die viele Jahre im Beruf bleiben, Menschen, die für das brennen, was sie tun.

Und dafür brauchen Fachkräfte wiederum gute berufliche Rahmenbedingungen. Das heißt: eine faire Bezahlung nach TVöD-Standard, die Möglichkeit zum Überstundenabbau, die wir nun schaffen. Und die Chance, sich selbst weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch eine Fortbildung von einer Zweit- zu einer Erstkraft. Entlastung von überflüssiger Bürokratie – es wird ab 2025 keine Nachweispflichten der Anwesenheit mehr geben, und sie brauchen Anerkennung und Wertschätzung für ihre Tätigkeit.

Gesetzlich vorzuschreiben, dass jede Kita einen 2,0 Fachkraft-Gruppenschlüssel realisieren MUSS – ist zwar wünschenswert, aber es hat sich gezeigt, dass es mancherorts unrealistisch war davon auszugehen, dass 365 Tage im Jahr alle Stellen in allen Kitas permanent besetzt sein können.

Das bisherige Finanzmodell hat so getan, also gäbe es keine offenen Stellen in Kindertageseinrichtungen. Wir sind damals zur Reform – und das ist ein Fakt, den nicht alle wahrhaben wollen – von einer 100 prozentigen Fachkraftauslastungsquote ausgegangen – und Achtung: haben diese 100 Prozent den Kreisen die letzten Jahre auch voll finanziert.- also überfinanziert.

Was haben wir gelernt? Erstens: Wir hatten eine Finanzierungslücke im System und deshalb können wir es uns nicht leisten Personalkosten in Richtung der Kreise über zu finanzieren, wenn das Geld dringend in den Kitas gebraucht wird. Also haben wir das Geld umgeschichtet, unter anderem in die Finanzierung der Vertretungszeiten und der Jahressonderzahlung.

Zweitens: Dass wir den 2,0 Fachkraft-Schlüssel nicht in Form einer starren Verpflichtung mit Rückforderungsrisiko umsetzen können. Wir erreichen keine pädagogische Qualität mit finanziellem Druck!

Deshalb machen wir es jetzt anders: wir machen aus einer bisherigen strengen Verpflichtung ab 2025 nun einen finanziellen Personalanspruch von 2,0 Fachkräften pro berechneter Gruppe. Wir geben den Kitas die Hoheit zurück ihr Personal eigenständig einzusetzen und regeln nur noch, wer mindestens eingestellt und mindestens anwesend sein muss. Stichwort Vertrauen. Damit wird nichts „zurückgedreht“, sondern nur im Sinne der Kitas vereinfacht.

Mit unserem Änderungsantrag von letztem Donnerstag haben wir diesen wichtigen Punkt noch einmal ganz deutlich klargestellt, um hier Sicherheit zu geben: die Standardqualität wird weiterhin dem entsprechen, was wir bisher als 2,0-Fachkraft-Gruppenschlüssel kannten und wird dem Personalbudget einer jeder Kita zugrunde gelegt. Die Stellenanteile erhöhen wir dabei um Vertretungszeiten für Leitungen und Verfügungszeiten und um weitere Stellenanteile für eingruppige Einrichtungen. Die waren bisher ja nicht drin. Das kommt neu ab 2025. Es werden also künftig mehr Stellenanteile in der Standardqualität sein, nicht weniger.

Das neue Kitagesetz kann und wird also nicht dafür herhalten, Personal vor Ort abzubauen. Und es ist wichtig das an die Menschen auch richtig zu kommunizieren

Wir haben jetzt noch einmal gesetzlich klargestellt, dass alle Standortgemeinden dazu verpflichtet sind, den Kitas weiterhin mindestens das volle Personalbudget und die volle gesetzliche Qualität auszubezahlen, wenn die Stellen besetzt sind. Es gibt über die Mindestpersonalausstattung kein Einsparpotenzial für Kommunen – weil der Personalanspruch sich nicht hieraus ergibt, sondern aus dem Personalbudget in Paragraf 38. 

Bei der Mindestanwesenheit haben wir die Kritik in der Anhörung gehört und nachgebessert: Krippen-Kinder und I-Kinder werden dort doppelt gerechnet.

Wir führen einen neuen Fortbildungsbonus für die Kindertagespflegepersonen ein und haben nun dafür landesweit einheitliche Vorgaben geregelt.

Die individuelle Abrechnung der Verpflegungskosten zwischen Kindertagespflegepersonen und Eltern bleibt bestehen – es wird kein neues Modell geben. Die Kritiken hierzu haben uns überzeugt.

Wir haben uns viele Monate nun damit auseinandergesetzt, das Bestandssystem zu optimieren, überflüssige Pflichten abzubauen, gleichzeitig hohe Qualitätsstandards zu ermöglichen, und die derzeitigen Verwaltungs- und Finanzierungsverfahren aus einem Übergangssystem in ein langfristiges Regelsystem zu überführen.

Und jetzt freue ich mich, dass es heute nun endlich soweit ist. Lassen Sie uns das überarbeitete Kitagesetz auf den Weg bringen – für die Kitas, die Kindertagespflege, die Eltern und die Kinder in unserem Land.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita