Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch trifft niemand leichtfertig

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 29 – Unterstützung des überfraktionellen Gesetzentwurfs zur Neuregelung der Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch

Dazu sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleg*innen,

wir sprechen heute über den Gruppenantrag, der von über 300 Bundestagabgeordneten Mitte November zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in Berlin eingebracht wurde. Der Antrag ist derzeit im dortigen Rechtsausschuss, und nächste Woche wird dort über das weitere Verfahren entschieden.

Der Schwangerschaftsabbruch ist derzeit noch in § 218 Strafgesetzbuch geregelt, also grundsätzlich strafbar und unrechtmäßig. Die Ausnahmeregelungen, in denen Betroffene und Ärzt*innen straffrei bleiben, finden sich in § 218a. Der Gruppenantrag will das verändern und die Beendigung einer Schwangerschaft auf Verlangen bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche grundsätzlich rechtmäßig stellen.

Mir ist es wichtig eines vorwegzusagen: Auch wenn unsere Grüne Haltung zu dem Thema völlig klar ist, für die Legalisierung und für mehr Entscheidungsfreiheit der schwangeren Person, finde ich es auch wichtig zu sehen, dass diese Frage sensibel ist. Und weil sie so sensibel ist, auch zu respektieren, dass man in der Abwägung auch zu einer anderen politischen Position kommen kann. Das finde ich wichtig. Genauso wichtig finde ich, die persönliche Entscheidung einer Frau nicht zu bewerten.

Und weil es so ein schwieriges Thema ist, war es richtig, eine Expert*innenkommission zu beauftragen, die die Möglichkeit hatte, mit ausreichend Zeit, mit Fachkompetenz, Professionalität und mit Differenziertheit Vorschläge zu erarbeiten. Die Expert*innenkommission hat sich dieser schwierigen Abwägungsfrage gestellt und ich finde, auch ausgewogen beantwortet.

Die Einstellungen in der Bevölkerung zur reproduktiven Selbstbestimmung hat sich deutlich verändert. Das macht eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums deutlich: Mehr als 80 Prozent der Befragten sagen, dass sie es für falsch halten, dass ein gewollter Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB grundsätzlich rechtswidrig ist. Das ist schon ein deutliches Zeichen.

Das Thema Schwangerschaftsabbrüche ist nicht nur ein schwieriges Thema für Politiker*innen, die versuchen, diese anspruchsvolle ethische Frage zu bewerten, und für die rechtliche Einordnung und die Abwägung von Grundrechten es kann vor allem auch für die betroffenen schwangeren Personen, die ungewollt schwanger werden, sehr schwierig sein.

Mehr als 106.000 Frauen und Mädchen haben sich 2023 in Deutschland für den Abbruch einer Schwangerschaft entschieden. Und wir können davon ausgehen, dass die Betroffenen sich die Entscheidung nicht leicht gemacht haben. Nicht jede Schwangerschaft ist gewollt und es gibt zahlreiche Gründe, warum eine Schwangerschaft nicht ausgetragen werden kann. Die Entscheidung sollte in letzter Konsequenz die schwangere Person selbst treffen. Es geht um ihr Leben und um ihren Körper.

Das Thema Abtreibung ist auch ein schwieriges Thema für Gynäkolog*innen, die nicht nur darüber entscheiden müssen, ob sie selbst geplante Abbrüche vornehmen und die medizinische Versorgung hierfür bereitstellen, sondern auch darüber entscheiden müssen, ob sie dies auch öffentlich transparent machen. Und das hat Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, auf das medizinische Angebot und damit am Ende auf die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von Information.

Abbrüche gehören zu den meisten gynäkologischen Interventionen, werden aber in der stationären und ambulanten Gynäkologie nicht regelhaft angeboten und sind auch kein verpflichtender Inhalt der medizinischen Ausbildung. Schauen wir auf die Liste der Bundesärztekammer, dann finden sich dort nur wenige Ärzt*innen, die öffentlich machen, dass sie Abbrüche vornehmen.

Keine Ärzt*innen aus Flensburg sind dort verzeichnet, keine aus Schleswig, keine aus Itzehoe oder Husum. Es gibt sie, aber sie machen es nicht öffentlich. Das Thema ist nach wie vor nicht nur tabuisiert, sondern Gynäkolog*innen berichten außerdem von Drohungen und Anfeindungen, obwohl die Ampelregierung im Jahr 2022 das Informations- und Werbeverbot für Ärzt*innen abgeschafft hat.

Und hier kommen wir an einen Punkt, der für uns hier in Schleswig-Holstein doch wichtig ist. Denn die Entscheidung zum Gruppenantrag können wir als Bundesland nicht beeinflussen. Wir können uns aber die aktuelle Situation der Versorgung und der Ärzt*innen hier in Schleswig-Holstein genauer anschauen. Das gehört zur Frauengesundheit dazu.

Deshalb schlagen wir vor, den Antrag in den Sozialausschuss zu überweisen und dort weiter zu bearbeiten.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita