Ab wann ein Kind krank allein zu Hause bleiben kann, ist hoch individuell

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 22 – Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern – Altersgrenze für die Zahlung von Krankengeld sowie
Gewährung von Sonderurlaub bei Erkrankung von Kindern anheben

Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

ich möchte mich zunächst beim SSW für den Antrag bedanken und den damit verbundenen Aufschlag, sich mit der Thematik des Kinderkrankengeldes zu beschäftigen. Ich möchte zugeben, dass ich mich bislang damit noch nicht so intensiv befasst habe, vielleicht, weil ich selbst keine Kinder habe und die schwierige Situation, in der sich viele Eltern insbesondere in der Erkältungssaison jedes Jahr aufs Neue wiederfinden, nicht kenne. Allerdings gab es politisch schonmal den Moment, als das Kinderkrankengeld für mich Thema wurde, nämlich zu Beginn und inmitten der Corona-Pandemie.

Ich war damals Landessprecher der Jugendorganisation meiner Partei – die uns übrigens nicht verlassen hat, übermorgen fahre ich zum Bundeskongress nach Leipzig, auf dem ein neuer Bundesvorstand gewählt wird – und wir hatten uns unter anderem mit der Forderung auseinandergesetzt und diese auch unterstützt, dass die Gesamtzahl der jährlichen Anspruchstage auf Kinderkrankengeld pro Elternteil erhöht wurde. Gerade in Pandemie-Zeiten und während der Lockdowns war das genau die richtige Entscheidung, um Familien in dieser schwierigen Zeit zumindest etwas zu entlasten.

Schon damals ist mir aber aufgefallen, dass es diverse Schwierigkeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Ausgestaltung des Kinderkrankengeldes gibt. Wir Grüne stehen deshalb zu notwendigen Veränderungen beim Kinderkrankengeld. Zum Beispiel ist mir nicht klar, weshalb die Krankschreibung des Kindes direkt am ersten Tag an den Arbeitgeber übermittelt werden muss. Dies auf drei Tage zu erhöhen und damit mit den Regelungen für alle Arbeitnehmenden zu harmonisieren, halte ich für unbedingt gegeben. Auch erschließt sich mir nicht so wirklich, weshalb das Kinderkrankengeld auf 90 Prozent des Gehalts limitiert ist und ja, damit beschäftigt sich der Antrag des SSW, auch bei der Altersgrenze sollte diskutiert werden.

Ich muss aber zugeben, dass ich die Forderung zur Anhebung von 12 auf 16 Jahre, wie vom SSW gefordert, nicht ganz teile. Zunächst einmal sind solche Debatten um willkürlich gesetzte Altersgrenzen nicht immer einfach. Denn die Argumentation, weshalb jetzt genau auf 16 und nicht direkt auf 18 oder doch nur auf 13 oder, wie 2020 auch von der Grünen Bundestagsfraktion gefordert, auf 14 Jahre, kann nie eindeutig geklärt werden. Es gibt ja schließlich keine medizinisch oder entwicklungspädagogisch klaren Erkenntnisse darüber, wann genau ein Kind denn wirklich alt genug ist, um krank allein zu Hause zu bleiben.

Allein das ist natürlich schon hoch individuell und einen Durchschnitt zu bilden, das wird immer der ein oder dem anderen nicht gerecht. Auch gibt es klare Unterschiede zwischen den individuellen Bedürfnissen, die Kinder bei Krankheit brauchen. Manche brauchen eher praktische Unterstützung, die ein Fernbleiben des Elternteils von der Arbeit rechtfertigen, bei anderen braucht es eher emotionale Unterstützung.

Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte, ist, dass es bei dieser Frage sehr viel für und wider gibt, die aktuell auf Bundesebene aber alle schon debattiert werden. Die Diskussion um das Kinderkrankengeld berührt nämlich auch viele andere bundespolitische Debatten, unter anderem zur Kindergrundsicherung aber auch der Frage zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Und weil die Argumente für die Anhebung auf 16 Jahre aus meiner Sicht noch nicht ausreichend sind und gerade der letzte Punkt, die Ausfinanzierung unserer gesetzlichen Krankenversicherungen so unklar ist, würde ich davon absehen wollen, diese Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein zu starten.

Die Krankenkassen schreiben hohe Defizite, gerade gestern wurden wieder Zahlen zur Erhöhung der Zusatzbeiträge im kommenden Jahr um knapp 0,8 Prozent veröffentlicht. Im Rahmen der Krankenhausstrukturreform soll ein Transformationsfonds aufgesetzt werden, der 25 Milliarden Euro aus den Mitteln der Versicherten zum Umbau unseres Krankenhauswesens ausgeben wird. Hinzu kommt noch, dass wir eine jahrelange Reform des Pflegesystems verschlafen haben und die Lösung dafür wird ebenfalls Geld kosten.

Und genau hier kommen wir in eine Bredouille: Ich halte es für sozial extrem ungerecht, wenn wir die Sozialversicherungsbeiträge mit Ansage immer weiter steigen lassen. Denn diese sind nicht nach Einkommen gestaffelt, die Beitragsbemessungsgrenzen sind viel zu niedrig angesetzt und am Ende werden nämlich genau die belastet, die am stärksten unter den steigenden Lebenserhaltungskosten leiden.

Und daher sollten wir aus meiner Sicht von der Ausweitung bestimmter Ansprüche, die ehrlicherweise ja auch versicherungsfremd sind, absehen, denn das Kinderkrankengeld ist eigentlich eine familienpolitische Maßnahme, denn diese können durch die Sozialversicherungen nicht einfach so weiter getragen werden und Bundeszuschüsse sind im Rahmen der knappen Haushaltslage sowieso nicht abzusehen.

Liebe Kolleg*innen, wir machen hiermit also ein riesiges Fass auf, das familien- und finanzpolitisch eher auf Bundesebene diskutiert werden sollte und aktuell ja auch wird. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Jasper Balke

Sprecher für Gesundheit, Pflege, Ehrenamt, Sport, Gesundheitswissenschaften, Medizinische Forschung und Lehre