Alleinerziehende müssen gestärkt und Regeln vereinfacht werden

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 23 – Taschengeldkonten auch bei gemeinsamem Sorgerecht alleinig eröffnen können

Dazu sagt die familienpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,

ich bedanke mich bei meiner FDP-Kollegin für diesen Antrag, weil er ein Anlass ist, die Situation Alleinerziehender genauer anzuschauen.

Das Thema „Taschengeldkonto“ erscheint vielleicht auf den ersten Blick klein, aber schauen wir genauer hin, ist es nur ein Beispiel von vielen Herausforderungen in der Alltagssituation alleinerziehender Elternteile, die das Sorgerecht mit dem anderen Elternteil teilen.

Im Jahr 2022 gab es laut Statistischem Bundesamt rund 1,57 Millionen Alleinerziehende- Familien in Deutschland. Von den rund 13 Millionen Kindern unter 18 Jahren leben inzwischen 18 Prozent mit nur einem Elternteil im Haushalt. 85 Prozent der alleinerziehenden Elternteile sind Mütter. Auf ihnen lag und liegt auch heute noch die Hauptlast der Erziehung.

Kindschaftsrecht, Sorgerecht und Umgangsrecht sind wichtige aber eben auch sehr komplexe Rechtsbereiche. Bei nicht wenigen sind die Familienverhältnisse herausfordernd und aktuelle Regelungen passen nicht unbedingt zu der Lebenswirklichkeit.

Dass Eltern nach einer Trennung weiterhin verantwortungsvoll und fair miteinander umgehen können, wäre gut und wünschenswert, und ist oftmals so – aber es ist aus unterschiedlichen Gründen leider nicht immer der Fall.

Dabei geht es nicht um Eltern, die trotz Trennung einen partnerschaftlichen Umgang miteinander pflegen. In diesen Fällen wird es einfacher sein, sogenannte. „einvernehmliche Lösungen“ zu finden  – sowie es das Sorgerecht ja vorschreibt – und die Unterschrift beider Elternteile zum Beispiel für die Eröffnung eines Kontos zu organisieren.

Schwierig wird es aber für jene Alleinerziehende, die kaum Kontakt zu dem anderen Elternteil haben, weil dieses weit weg lebt oder für jene, die diesen Kontakt bewusst meiden, weil die Vergangenheit von häuslicher Gewalt geprägt war.

Es ist zum einen wichtig, dass häusliche Gewalt in den sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen der Familiengerichte künftig stärker als bisher berücksichtigt wird. Zum anderen müssen wir derzeitige Regelungen bei einem geteilten Sorgerecht aber auch daraufhin überprüfen, ob und wie praktikabel sie für Alleinerziehende sind und wie kindgerecht.

Nicht nur die Eröffnung eines Kontos für das eigene Kind, sondern auch eine Reise in das Ausland, medizinische Entscheidungen oder auch die Frage der Änderung des Nachnamens des Kindes nach erneuter Heirat des alleinerziehenden Elternteils, das alles können immer wieder echte Herausforderungen für Kinder und für Alleinerziehende werden.

Denn hierzu braucht es jeweils die Zustimmung beider Elternteile im Fall eines gemeinsamen Sorgerechtes, beziehungsweise des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechtes.

Das Namensrecht wird derzeit auf Bundesebene überarbeitet und hierbei sollen die Rechte des Kindes in der Bestimmung seines Nachnamens beziehungsweise bei einer Namensänderung künftig gestärkt werden. Das halte ich für richtig.

Aber auch in anderen Bereichen könnte nachjustiert werden, um Regelungen an Lebensrealitäten anzupassen.

Im gemeinsamen Sorgerecht wird zwischen Angelegenheiten von „erheblicher Bedeutung“ und Angelegenheiten des „täglichen Lebens“ unterschieden. Bei ersterem sollen die Eltern einvernehmliche Entscheidungen treffen.

Die Frage ist, ob ein eigenes Konto mit einer eigenen Bankkarte wichtig für den Alltag Jugendlicher ist. Ist zu lernen, mit Geld umzugehen, eine Frage des täglichen Lebens?

Taschengeld ist wichtig für Kinder, denn es eröffnet eigenständige Handlungsspielräume und es lehrt den Umgang mit Geld. Eltern müssen ihren Kindern kein Taschengeld zahlen, aber sie sollten dies tun, wenn sie es können.

Unsere Welt ist digital und ein großer und steigender Anteil von Bezahlvorgängen läuft mit Karte. Auch im Supermarkt, beim Bäcker oder am Kiosk wird mit Karte bezahlt. Es ist wichtig, dass Kinder auch dies lernen und verstehen.

Taschengeld gehört zu den „alltäglichen Dingen“, die der Elternteil allein entscheiden darf, bei dem das Kind überwiegend lebt. Aber eine Kontoeröffnung fällt unter „Angelegenheiten mit erheblicher Bedeutung“ und kann nur mit Unterschrift beider Elternteile eröffnet werden. Das passt nicht wirklich zusammen.

Auch die Vollmacht und damit die Verfügungsgewalt über das Taschengeldkonto eines nicht volljährigen Kindes haben dann beide Elternteile. Selbst wenn das Geld nur von einer Person einbezahlt wird.

Um dies anders handzuhaben, würde es derzeit rechtlich nur eine Lösung geben. Nämlich den Weg zum Gericht und ein langwieriges Verfahren zum Sorgerechtsentzug. Das ist kompliziert und kann Elternteile und Kinder sehr belasten.

Es wäre wünschenswert, einen anderen Weg zu ermöglichen, und dem alleinerziehenden Elternteil die Option zu eröffnen, trotz gemeinsamer Sorge alleinverantwortlich ein Taschengeldkonto zu eröffnen.

Aus meiner Sicht ergibt es Sinn, sich einzelne Beschränkungen Alleinerziehender genauer anzuschauen und dazu im Sozialausschuss detaillierter zu beraten. Deshalb bitte ich um Überweisung des Antrags.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita