Als Politiker*innen ist es unsere Aufgabe, den Bedrohungen jüdischen Lebens und dem Antisemitismus entgegenzutreten

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 41 – Klares Bekenntnis gegen Antisemitismus

Dazu sagt die antidiskriminierungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,
Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

jüdisches Leben gibt es hier in Schleswig-Holstein seit mindestens seit 600 Jahren. Heute ist die zivilgesellschaftliche Arbeit der jüdischen Gemeinden, der jüdischen Studierendenverbände, des Sportverbandes Makkabi, die Bildungsarbeit, Musik, Kunst und Literatur von jüdischen Personen elementar für unsere Gesellschaft und kann nicht weggedacht werden.

Wir müssen aber auch benennen, dass Antijudaismus und Antisemitismus seit jeher bestehen und immer zur Diskriminierung, Ausgrenzung bis hin zu Gewalt und Vernichtung gegen Jüdinnen*Juden geführt haben – mit ihrem Höhepunkt in der Shoah.

Die Befreiung vom Nationalsozialismus hat aber nicht dazu geführt, dass Antisemitismus überwunden ist – egal ob in Schleswig-Holstein, Deutschland oder weltweit. Diese Kontinuität des Antisemitismus macht betroffen, sie macht traurig, sie macht auch Angst – aber sie ist sehr real.

Es ist demokratischer Konsens, für den Schutz jüdischen Lebens zu sorgen und gegen Antisemitismus zu kämpfen. Wir streiten uns in diesem Parlament über viele Dinge – hier sind wir aber klar vereint und dafür bin ich extrem dankbar.

Wenn wir auf den aktuellen Bericht der landesweiten Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus schauen, wird deutlich, wie real die Alltäglichkeit des Antisemitismus in unserer Gesellschaft und die Bedrohungslage für Jüdinnen*Juden ist.

Besonders auffällig ist dabei ist der israelbezogene Antisemitismus, der über die letzten Jahre ohnehin zugenommen hat, nach dem 7. Oktober 2023 aber in einer massiven Häufung zu beobachten ist.

In der Folge haben jüdische Einzelpersonen und Institutionen diverse Maßnahmen getroffen, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Viele haben ihre Sichtbarkeit eingeschränkt – und tun das auch jetzt noch. Sie verzichten zum Beispiel auf das Tragen von jüdischen Symbolen oder sprechen auf der Straße kein Hebräisch mehr.

Auch wenn jüdische Einrichtungen wieder offen sind und alltägliche Veranstaltungen stattfinden, bleiben die Sicherheitsmaßnahmen hoch und gerade das sichtbare jüdische Leben ist weiter eingeschränkt.

Das, was ich beschreibe, ist für viele neuer Alltag – geprägt durch die Sorge vor Drohungen oder antisemitischen Übergriffen. Als Politiker*innen ist es unsere Aufgabe, den Bedrohungen jüdischen Lebens und dem Antisemitismus entgegenzutreten, Jüdinnen*Juden zu schützen und jüdischem Leben die notwendige Sicherheit zu geben, um sichtbar sein zu können.

Das tun wir in Schleswig-Holstein seit vielen Jahren, aber jetzt nach der deutlichen Zunahme antisemitischer Vorfälle noch stärker. Die kürzlich beschlossene Bildungsoffensive für jüdisches Leben ist dafür ein Beispiel. Und auch bereits existierende Strukturen wie die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus sorgen dafür, dass wir in Schleswig-Holstein Antisemitismus monitoren und sichtbar machen. Gleichzeitig wird mit Beratungsangeboten für Betroffene antisemitischer Vorfälle eine elementare Unterstützung geschaffen.

Auch die vielen Bündnisse in Schleswig-Holstein zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinden zeigen, wie effektiv die Zusammenarbeit gegen Exklusion und Diskriminierung sein kann und – wie gegenseitiges Verständnis durch Dialog aufgebaut wird.

Das deutliche Erstarken von antisemitischen Vorfällen hat leider auch zu vermehrten Vorverurteilungen muslimischer Bürger*innen und zum Erstarken von antimuslimischem Rassismus geführt. Das Benennen von Ursachen für Antisemitismus darf kein pauschales, auf Vorurteilen beruhendes Finger-zeigen sein.

Institutionen wie das Islamische Zentrum in Hamburg, die als Außenposten des iranischen Regimes fungieren, sind zu verurteilen – ebenso relativierende Statements. Jedoch von allen muslimischen Institutionen sowie Einzelpersonen eine Distanzierung zu fordern, halte ich für zu pauschal – auch wenn ich es – von allen Menschen in unserer Gesellschaft – schätze, wenn sich klar gegen Antisemitismus ausgesprochen und mit Jüdinnen*Juden solidarisiert wird.

Es darf nicht alleinige Aufgabe von Jüdinnen*Juden bleiben, konsequent gegen Antisemitismus vorzugehen. Wir müssen aktiv werden, empathisch sein, solidarisch sein. Nur geeint können wir Antisemitismus den Kampf ansagen. Dafür braucht es alle hier im Parlament und in der Zivilgesellschaft.

Vielen Dank.

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung