Arbeitsgesundheit von Lehrkräften schützen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 31 – Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit für Lehrkräfte gewährleisten

Dazu sagt der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Malte Krüger:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleg*innen,

wer schonmal als Lehrkraft vor einer Klasse stand, wer schonmal in einer Schule gearbeitet hat, der oder die weiß: Das ist anstrengend.

Vor allem sind es die psychischen Belastungen, die den Alltag zeichnen. Unmotivierte und verhaltensauffällige Schüler*innen, überforderte oder uneinsichtige Eltern und auch soziale Medien erzeugen Stress und Depressionen. Studien zeigen: Psychische Erschöpfung tritt bei Lehrkräften stärker auf als bei anderen Berufsgruppen. Eine hohe Arbeits- und insbesondere Lärmbelastung wird von Lehrkräften deutlich häufiger genannt als von anderen Berufsgruppen.

Die psychische Belastung von Lehrkräften nimmt dabei über den Unterrichtstag immer weiter zu, das konnten Forschende der Universität Bremen herausfinden. Und was ich dabei am absurdesten finde: Die Stresswerte sind in den Pausen oft noch höher als in den Unterrichtsstunden. Ein oft genannter Grund dafür: es fehlt an Rückzugsräumen. Das Lehrer*innenzimmer ist voll, die Schlange am Kopierer lang, Schüler*innen stellen Fragen, der Lärmpegel ist hoch.

Die Corona-Pandemie hat den Stress zum Teil nochmal erhöht. Online-Unterricht erforderte plötzlich ganz andere Lernformen und eine andere Form der Vorbereitung. Kranke Kolleg*innen mussten vertreten werden. Parallel zum Unterrichten galt es, Zeiten für das Lüften einzuhalten, durch die offenen Fenster stieg die Lärmbelastung zum Teil weiter. 90 Prozent der Lehrkräfte gaben in einer Umfrage der DAK während der Pandemie an, der Unterricht sei im Vergleich zum Vorjahr deutlich anstrengender geworden.

Die Folgen dieses belastenden Alltags: etwa jede dritte Lehrkraft gibt an, sich überlastet zu fühlen. Studien zeigen, dass etwa 30 Prozent der Lehrkräfte Burnout-Symptome zeigen oder gefährdet sind. Das reicht von Müdigkeit und dem anhaltenden Gefühl des Ausgelaugt seins bis hin zu körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.

Und das wirkt sich auch auf die Fachkräftesituation aus. Knapp 60 Prozent der Lehrkräfte gehen auf eigenen Antrag in den Vorruhestand, statt bis zur gesetzlichen Altersgrenze zu arbeiten. Psychische und psychosomatische Krankheiten sind lauf Befragungen mit bis zu 50 Prozent der Fälle der Hauptgrund für Frühpensionierungen bei Lehrkräften. Laut einer Studie der Universität Halle-Wittenberg verlässt fast ein Drittel der untersuchten Lehrkräfte innerhalb von fünf Jahren die Schule wieder, oft aus gesundheitlichen Überlegungen.

Wenn wir also Lehrkräfte gewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zeigen, dass wir ihre Gesundheit ernst nehmen. Das ist Aufgabe des Landes, das ist die Aufgabe des Ministeriums. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch gesunde und motivierende Arbeitsbedingungen sind schon längst ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl geworden.

Was können wir tun? Wir können Schulen weiter bei Verwaltungsaufgaben und Dokumentationspflichten entlasten. Wir können mehr Angebote für Stressbewältigungstrainings, zu Klassenführung oder Kommunikation machen. Und wir müssen weiterhin unsere Aufgaben als Arbeitgeberin erfüllen.

Das umfasst die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge ebenso wie die regelmäßige Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen, unter anderem zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und zu Gefahren für Stillende und Schwangere.

Die in den letzten drei Jahren pandemiebedingt ausgesetzten, regelhaften Kontrollen der Arbeitsschutzbehörde, die seit Juli wieder laufen, müssen fortgeführt werden. Wir können aber auch dabei unterstützen, den Arbeitsplatz selbst zu verändern. Lehrer*innenzimmer und Arbeitsplätze können so ausgestaltet werden, dass sie mehr als Rückzugsort dienen. Hier können zum Beispiel auch die Mittel aus dem PerspektivSchul-Programm und dem Startchancenprogramm helfen.

Aber auch die Experimentierklausel kann hier wirken. Mehr Gestaltungsspielräume können Lehrkräften auch mehr Selbstwirksamkeit geben, mehr das Gefühl, den eigenen Alltag und den Rahmen für den Unterricht selbst mitgestalten zu können. Die Forschung zur Lehrer*innengesundheit hat gezeigt, dass der höchste Belastungsfaktor, also der Umgang mit Schüler*innen, zugleich auch die stärkste Ressource für Lehrkräfte ist. Wenn der Umgang gut funktioniert, dann ergibt sich daraus auch der größte positive Rückhalt für die Lehrer*innengesundheit.

Mit unserem Alternativantrag bitten wir die Landesregierung, Arbeitsgesundheit künftig noch stärker in den Fokus zu rücken und mit guten Angeboten um neue Lehrkräfte zu werben.

Denn ich bleibe dabei: Das Lehramt ist ein schöner Beruf und muss es bleiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Malte Krüger

Sprecher für Schule, Hochschule, Wissenschaft, berufliche und politische Bildung