Ein starker ÖPNV ist der Hebel für eine gelingende Verkehrswende

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 28 + 42 – Mobilitätswende und Finanzierung ÖPNV

Dazu sagt die mobilitätspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,
Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

seit Monaten wird bundesweit über die angespannte finanzielle Lage im öffentlichen Personenverkehr diskutiert. Und das nicht, weil wir gekürzt haben, sondern weil die Ausgaben für dieselben Leistungen stark gestiegen sind.

Zuerst kamen deutliche Energiepreissteigerungen, aber auch die Baukosten sind in den letzten Jahren massiv in die Höhe geschossen. Und zuletzt kommen natürlich auch gerechtfertigte Tarifabschlüsse zum tragen, die die Verkehrsleistungen im ÖPNV verteuern. Mit dem Ukraine-Notkredit haben wir einige dieser Preissteigerungen abfedern können. Das war ein wichtiger Schritt.

Allerdings ist die Lage inzwischen noch deutlich herausfordernder: Wir kämpfen mit Preissteigerungen von teils 40 Prozent in den Verkehrsverträgen. Selbst die Aufrechterhaltung der bisherigen Pläne für Betrieb und Ausbau lassen sich mit den bestehenden Mitteln nicht finanzieren.

Ich versuche das einmal darzustellen: 2023 bekamen wir knapp 600 Millionen Euro vom Bund. Für rund zwei Drittel davon bestellen wir Zugverkehre und unterstützen den ÖPNV. Weitere 10 Prozent finanzieren das 9 Euro- beziehungsweise Deutschlandticket. Sieht man noch die 23 Mio. für NAH.SH, Tarif, Fahrgastinformationen und ähnlichem, bleiben am Ende 90 Millionen Euro an Investitionsbudget.

Das mag erst einmal nach viel klingen, passt aber eben nicht zu den Ausbauvorhaben, die im Landesnahverkehrsplan verankert sind. Das war bereits 2022 zu knapp, als wir diese Koalition begonnen haben. Wenn wir also den Betrieb behalten und weiter Bahnstrecken ausbauen wollen, brauchen wir mehr Geld. Wir haben es uns an dieser Stelle einmal erspart, wieder einen Antrag zu stellen, dass die Landesregierung sich im Bund für mehr Regionalisierungsmittel einsetzen sollte.

Wir sind aber auch nicht die einzigen in dieser Situation. Viele Länder stehen gerade an derselben Stelle. Und auch der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz hat sehr deutlich gemacht, dass ohne zusätzliche Regionalisierungsmittel über Abbestellungen diskutiert werden muss.

Das Urteil von letzter Woche zum Klimaschutzgesetz macht es noch deutlicher: Erneut wurde gerichtlich bestätigt, dass die Klimaziele gerade im Verkehrssektor dramatisch verfehlt werden.

Ein starker ÖPNV ist der Hebel für eine gelingende Verkehrswende. Die Erhöhung der Regionalisierungsmittel ist dafür der wichtigste Schritt und steht im Koalitionsvertrag des Bundes. Aber Volker Wissing droht lieber mit selbst erfundenen Fahrverboten und kürzt bei Trassenförderungen, anstatt die Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die tatsächlich CO2 einsparen.

Das ist eine klimapolitische Bankrotterklärung und ich werde nicht müde, das hier wieder und wieder zu betonen.

Jetzt kommt die legitime Frage, warum wir nicht mehr Landesmittel in den ÖPNV investieren. Und um es deutlich zu sagen: Ich teile die Forderung. Wenn wir den öffentlichen Verkehr wirklich ausbauen wollen, werden sich alle Seiten beteiligen müssen, damit wir auf die nötigen Investitionsvolumen kommen.

Seit 2022 haben wir aber auch vieles verbessert: Wir finanzieren das Deutschlandticket mit 52 Millionen, stellen mehr Landes-GVFG Mittel zur Verfügung, geben mehr für ÖPNV über IMPULS aus, kofinanzieren SMILE24, um nur einige neue Ausgaben zu nennen. Und damit haben wir den Landesanteil für ÖPNV deutlich erhöht. Kamen zu den Regionalisierungsmitteln 2022 15 Prozent aus Landesmitteln hinzu, sind es nun fast 40 Prozent. Damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt.

Diese Verbesserung kann sich sehen lassen. Allerdings löst sie das Problem noch nicht: Die zusätzlichen Mittel kompensieren nicht einmal die finanziellen Herausforderungen, die wir aktuell im ÖPNV haben. Geschweige denn ermöglichen sie zusätzlichen Ausbau.

Von der FDP kam nun vermehrt der Wunsch, die Mittel aus unserem Sondervermögen MOIN.SH zu nutzen, um Löcher im Betrieb zu stopfen. Dieses Sondervermögen wurde gegründet, um Geld für Investitionen und Elektrifizierung bereit zu halten. Zuletzt für die Investition in neue Akkutriebwagen.

Hätten wir für diese kein eigenes Budget zur Verfügung gehabt, wäre die Investition deutlich teurer geworden. Wer jetzt MOIN.SH stutzt, um Betrieb zu finanzieren, verspielt unsere Handlungsfähigkeit in der Zukunft und verteuert neue Investitionen.

Deswegen stehen wir gerade vor der Entscheidung: Wollen wir bei gleichbleibenden Mitteln Randzeiten ausgeweitet lassen oder wollen wir Ausbauvorhaben realisieren? Meine Antwort wäre: Der Bund zahlt mehr, das Land zahlt mehr und wir tun beides. Und dafür werde ich auch weiterhin kämpfen. Was ich nicht tun werde, ist heute die Zusage zu geben, in dieser schwierigen Abwägung immer Betrieb vor Ausbau zu priorisieren. Und das würden wir, würden wir diesem SPD-Antrag heute zustimmen.

Ich kann zum Ende nur nochmal deutlich appellieren. Wenn Sie es ernst meinen, setzen Sie sich in ihren Fraktionen dafür ein, dass wir mehr Mittel für den ÖPNV bekommen. Von allen Ebenen. Ich tue das auch. Dann können wir die Finanzierungsprobleme des öffentlichen Verkehrs auch gemeinsam lösen.

Vielen Dank.

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung