In Zukunft müssen mehr Züge und Busse fahren

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 26 – Dem Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr effektiv entgegenwirken

Dazu sagt die mobilitätspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

nicht nur in Schleswig-Holstein sind wir es gewohnt, auf die Deutsche Bahn zu schimpfen. Zugausfälle und Verspätungen sind längst ein fester Bestandteil der Abenteuergeschichten vieler Pendler*innen.

In diesem Jahr allerdings stand hier im Norden mal ein anderes Verkehrsunternehmen öffentlich stark in der Kritik. Die andauernden Zugausfälle von Erixx haben für viel Frust bei Fahrgästen gesorgt und die Verlässlichkeit der Bahn nochmal erheblich in Frage gestellt.

Was bei Erixx passiert ist, ist kritikwürdig, und viele Unternehmensentscheidungen sind nicht unbedingt plausibel nachvollziehbar. Vielmehr jedoch verweist die Situation bei Erixx auf ein viel grundlegenderes und strukturelles Problem: Es fehlt an Menschen, die unseren öffentlichen Verkehr am Laufen halten – und das in allen Bereichen. Und ich betone: Hier geht es um den Status quo, nicht mehr.

In Zukunft müssen mehr Züge und Busse fahren, wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen. Und wir alle sind uns einig, dass sie alternativlos ist. Neben dem fehlenden Geld bleibt aber der Fachkräftemangel ein Nadelöhr für mögliche Fahrplanerweiterungen und damit für alle Bemühungen, die Wende zu schaffen. Diesem Problem müssen wir mit aller Kraft und so weitsichtig wie möglich entgegensteuern.

Wir müssen das aber tun, ohne ständig über nur die Probleme zu reden. Wir müssen anfangen, lösungsorientiert über Fachkräftemangel zu diskutieren. Es gibt nicht die eine Antwort auf den Fach- und Arbeitskräftemangel. Und so hat auch unser Antrag nicht den Anspruch, den Fachkräftemangel zu beseitigen. Ich denke das ist klar. Die Lösungen müssen so vielfältig wie möglich sein und dafür wollen wir einige branchenspezifische Aspekte angehen.

Wir müssen bundesweit anerkennen, dass wir auf ein großes Problem im ÖPNV zusteuern. Und wir müssen die Anstrengungen bei der Suche nach Busfahrer*innen erhöhen. Dafür braucht es zunächst die Aufnahme von Busfahrer*innen auf die Liste bundesweiter Mangelberufe. Das wichtigste Instrument für mehr Fachkräfte ist es aber, die Fachkräfte von morgen auszubilden. Im besten Fall nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern darüber hinaus.

Bereits jetzt machen wir das in Kooperation mit der Nah.sh in neuen Verkehrsverträgen. Das muss zur Selbstverständlichkeit werden und wir wollen in Kooperation mit Verkehrsunternehmen daran arbeiten, dass noch stärker ausgebildet wird – und das auch, wenn Verträge das nicht oder nicht mehr hergeben.

Ein Fehler bei der Betriebsaufnahme von Erixx war die fehlende Übernahme von Auszubildenden der letzten zwei Jahre. Die Deutsche Bahn hatte auf der Strecke bereits frühzeitig aufgehört auszubilden. Das wollen wir mit unserem Vorgehen in Zukunft verhindern. Aber auch der Ausbau von Infrastruktur gehört zum öffentlichen Verkehr dazu und dort ist der Bedarf ebenso groß.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass wir eine Professur für Verkehrsplanung im Schienenwesen schaffen. Bisher fehlt es in ganz Norddeutschland an Schienenexpertise in der universitären Lehre. Das werden wir ändern.

Zudem wollen wir regulatorische Hemmnisse wie das Mindestalter prüfen. Wer aus der Schule kommt, kann nicht auf direktem Weg eine Ausbildung zur Busfahrer*in absolvieren. Denn Bus fahren ist im Gegensatz zu LKW fahren erst mit 24 Jahren erlaubt. Diese Regel gehört auf den Prüfstand.

Und obwohl es allen Geschlechtern freigestellt ist, im ÖPNV-Betrieb zu arbeiten, ist die Quote an Frauen unter Busfahrenden schlechter als in deutschen Vorständen – wer hätte gedacht, dass das möglich ist. Bei der Berliner Verkehrsgesellschaft arbeiten aktuell gerade sechs Prozent Frauen.

Deswegen sollten wir uns damit auseinandersetzen, wie wir das Busfahren auch für Frauen attraktiver gestalten, beispielsweise durch Anpassung der Arbeitszeiten, durch mehr Sicherheit auch in Abend- und Nachtstunden oder durch angepasste Kita-Öffnungszeiten, zumindest dort, wo das möglich ist.

Auch das Thema Sprache müssen wir diskutieren. Ich glaube, wir brauchen eine Debatte darüber, welche Sprachkenntnisse im Beruf wirklich relevant sind und welche Ausbildungsinhalte nur der einfachheitshalber auf Deutsch angeboten werden. Am Ende stehen wir im Wettbewerb mit anderen EU-Staaten, in denen die Offenheit für Mehrsprachigkeit bereits deutlich weiter ist als hier.

Es gibt noch einige Stellschrauben, an denen wir drehen können, um mehr Menschen für die Arbeit im öffentlichen Verkehr zu begeistern. Und genau dies müssen wir tun, wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen.

Vielen Dank.

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung