Land unterstützt Kommunen im Aufbau und Betrieb von dezentralem und zentralem Wohnraum

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 26 – Bericht zur Unterbringungssituation von Flüchtlingen

Dazu sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleg*innen,

5.600 Asylsuchende wurden in diesem Jahr aufgenommen und seit dem 24. Februar 2022 sind in Schleswig-Holstein 35.000 Ukrainer*innen erfasst worden. Anders als Asylsuchende sind geflohene Personen aus der Ukraine in den Landesunterkünften nicht wohnverpflichtet. Es liegt rechtlich in der Zuständigkeit der Kommunen sie direkt aufzunehmen. Das ist eine riesige Herausforderung. Wir sehen das!

Da wir uns aber in einer Verantwortungsgemeinschaft befinden, unterstützt das Land sowohl bei der Herrichtung und dem Betrieb von kommunalem Wohnraum als auch bei der Unterbringung der Vertriebenen aus der Ukraine.

Bislang konnte das Land die Kommunen finanziell mit der Herrichtungsrichtlinie dabei unterstützen, knapp 7000 neue kommunale Unterbringungsplätze landesweit in 165 Kommunen seit 2022 zu schaffen und Mittwoch wurden im Finanzausschuss 20 Millionen Euro zur Verlängerung dieser Förderung bewilligt.

In Planung ist weitere Unterstützung durch Landesfördermittel zur Errichtung und zum Betrieb von temporären Gemeinschaftsunterkünften für bis zu 200 Personen. Hierfür werden wir den Kommunen insgesamt 49 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Aufbauend auf der Vereinbarung vom 29. März 2023 wurden verschiedene sinnvolle Maßnahmen zur finanziellen und strukturellen Unterstützung der aufnehmenden Kommunen auf den Weg gebracht, um Wohnraum aufzubauen.

Aber auch heute muss ich wieder betonen, dass es am Ende das Ziel sein muss, dass Menschen in eigenständigem Wohnraum leben und ein Privatleben haben. Kommunale Unterkunftsmöglichkeiten können nur Übergangslösungen sein und wir müssen alles daran setzen, Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu ermöglichen.

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Touré, dafür, dass Sie auch das im Blick haben und für Ihren ausführlichen Bericht. Und auch dafür, dass Sie uns so regelmäßig im Innen- und Rechtsausschuss informieren.

Die Maßnahmen des Landes sind vorausschauend und ich habe großes Vertrauen, dass Schleswig-Holstein in diesem Sinne weiter machen wird, auch künftig für eine faire und menschliche Aufnahmepolitik steht und hierbei mit großer Ernsthaftigkeit seitens der gesamten Landesregierung gehandelt wird. Und wir werden die Kommunen nicht im Regen stehen lassen – so viel ist klar.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas darüber hinaus anmerken: Die derzeitige Lage ist angespannt und für alle Seiten herausfordernd. Aber nicht nur für Land und Kommunen, sondern auch für die Menschen, die zu uns fliehen.

Es ist nicht nur schwer, alles hinter sich zu lassen und in einem fremden Land neu anfangen zu müssen. Auch die politischen Debatten der letzten Wochen und Monate zu geplanten Verschärfungen in der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik, der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten, zu Rückführungsabkommen und Obergrenzen oder das Rufen einzelner Stimmen nach Abschaffung des individuellen rechts auf Asyl gehen an den Menschen nicht spurlos vorbei. Sie sind ausgrenzend!

Diese Debatten und Schein-Maßnahmen werden nicht den Effekt haben, dass weniger Geflüchtete zu uns kommen. Aber sie verunsichern Menschen, die hier leben und versuchen, mit ihren Familien so etwas wie Normalität nach der Flucht wieder zu finden.

Ob in der Frage der Aufnahme von Geflüchteten, der Unterbringungssituation oder der Debatte zu Sprachkurszugängen, die wir gestern hier hatten: aus meiner Sicht muss es im Kern darum gehen, dass wir endlich ein nachhaltiges Aufnahme- und Integrationssystem aufbauen. Und darüber diskutieren wir in Deutschland gerade zu wenig!

Wir müssen beides sein, Feuerwehr und Langstreckenläuferin. Wir müssen weiterhin zügig Wohnraum aufbauen, aber gleichzeitig auch tragfähige Strukturen in der Beratung und beruflichen Integration, wenn wir endlich wieder in der Lage sein wollen planbar zu handeln und nicht nur zu reagieren.

Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Dieser Gedanke ist nicht neu, das wussten alle Parteien schon mal. Mir scheint nur gerade, dass das einige wieder vergessen haben. Die neueste Einigung zwischen Land und Kommunen von dieser Woche ist deshalb so wichtig und zielführend! Weil hiermit nicht nur bei den Kosten der Unterkunft unterstützt wird, sondern auch die Integrationsstrukturen gestärkt werden. Und das wünsche ich mir auch von Bundesebene:

Wir müssen genau schauen, wo Geld, Strukturen und Kapazitäten gebraucht werden, um Kommunen und Menschen kurz- und mittelfristig zu entlasten. Wir brauchen eine vernünftige, dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Geflüchtetenkosten wie im Koalitionsvertrag zugesagt, orientiert an den tatsächlichen Zahlen und mit Planungssicherheit für Länder und Kommunen

Was wir nicht brauchen, ist ein Bundeshaushalt, in dem ein Drittel der Bundesförderung bei der Migrationsberatung eingespart wird, ausgerechnet der Basisstruktur für Integration. Und in dem bei der psychosozialen Arbeit gespart wird, also dort wo traumatisierte Menschen aufgefangen werden.

Im Gegenteil: Bund, Land und Kommunen müssen mit vereinten Kräften daran arbeiten, den Antragsstau in den Ausländer- und Zuwanderungsbehörden abzubauen. Denn Menschen warten monatelang auf die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und dann ist natürlich der Arbeitsplatz weg.

Um Bürokratie abzubauen, müssen Arbeitsverbote bundesgesetzlich abgeschafft werden und alle Personen uneingeschränkt einen Sprachkurszugang erhalten. Und zwar ohne Vorabzustimmung der Behörden, die damit völlig überlastet sind. In der Anhörung zum Integrations- und Teilhabegesetz im Innen – und Rechtsausschuss vor drei Wochen haben die Sachverständigen dies mit überzeugender Mehrheit bestätigt.

Wir können die Unterbringungsfrage nicht isoliert betrachten. Sie hängt unmittelbar damit zusammen, ob wir Schutzsuchenden volle Integrationszugänge gewähren oder nicht. Menschen, die sich qualifizieren, ihr eigenes Geld verdienen, die können sich auch eine eigene Wohnung mieten und rausgehen aus den kommunalen Unterkünften.

Und solange Deutschland lieber darüber spricht, wie Menschen an Grenzen aufgehalten und zwischen europäischen Ländern hin und her geschoben werden – so viel die FDP gestern hier in diesem Hause sogar im Zuge einer Sprachkursdebatte – wird sich an den grundsätzlichen Problemen, die wir gerade haben, nichts ändern. Weder an der Unterbringungsfrage noch an dem Arbeits- und Fachkräftemangel.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita