Sprache ist der Zugang zu einer Gesellschaft

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 13 – Verfügbarkeit und Praxistauglichkeit der Integrations- und Sprachkurse in Bund und Land sichern

Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,

was bedeutet es, ohne Deutschsprachkenntnisse in unserem Land zu leben? Es bedeutet, kaum in den Austausch gehen zu können mit Nachbar*innen, abhängig zu sein von Menschen, die übersetzen, Zugänge zum Gesundheitssystem faktisch nicht zu haben und von Dienstleistungen im Regelsystem abgeschnitten zu sein. Es bedeutet abgeschnitten zu sein, von der Mehrheit der Gesellschaft. Und manchmal bedeutet es auch nicht einmal den Notruf wählen zu können.

Geflüchtete oder über den Familiennachzug zugewanderte Frauen, die kein Deutsch sprechen, stehen zudem meist in einem doppelten Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Ehemann – aufenthaltsrechtlich und sprachlich. Ich will, dass sich das ändert! Ich will, dass der Zugang zu Deutschlernangeboten für alle Menschen verbessert wird. Aber vor allem möchte ich, dass mehr Frauen erreicht werden – und zwar vom ersten Tag an.

Passen wir also die Angebote konsequent ihren Lebensrealitäten und ihren Tagesstrukturen an. Diese sind – ähnlich wie bei deutschen Frauen – orientiert an Care-Arbeit. Entweder hauptsächlich Sorgearbeit für Kinder, Angehörige und Haushalt oder

Care-Arbeit kombiniert mit einer Erwerbstätigkeit. Wir brauchen also Angebote, die damit vereinbar sind – zeitlich und örtlich.

Alle an Bord – unser schleswig-holsteinisches Arbeitsmarktnetzwerk für geflohene Menschen – macht es erfolgreich vor: Sie bieten seit Anfang 2022 arbeitsmarktbezogene Sprachtrainings an, individuell oder in kleinen Gruppen, virtuell oder in Präsenz, mit kurzen Lerneinheiten von ein bis zwei Stunden und mit niedrigschwelliger Kinderbeaufsichtigung – also sehr flexibel und auch für Menschen in den ländlichen Räumen gut erreichbar. Das ist genau das, was wir überall in Schleswig-Holstein benötigen!

Deshalb bitten wir das Arbeitsministerium heute zu prüfen, wie eine Ausweitung dieses guten Angebotes aussehen kann. Die Nachfrage zeigt bereits jetzt, dass dieses Sprachtraining überdurchschnittlich gut von Frauen angenommen wird.

In Gesprächen unter anderem mit der VHS in Segeberg wurde mir klar, dass auch Selbstlernkurse eine gute Ergänzung des bestehenden Kurs-Systems sind. Eine Ergänzung – kein Ersatz. Denn sie eignen sich nur für Menschen, die in der Lage sind, sich eigenständig Lernstoff zu erarbeiten, also die in ihrem Heimatland wahrscheinlich schon gut in der Schule waren, eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben.

Ein Selbstlernkurs könnte zum Beispiel so aussehen: jeden Tag ein bis zwei Stunden selbstständig lernen und virtuelle Übungen machen und einmal die Woche in Präsenz Übungen mit einer Lernbegleitung durchsprechen. Am Ende wird auf die Prüfung hingearbeitet. Das Gute hierbei ist: Wir bräuchten für den Kurs keine ausgebildeten Sprachlehrkräfte, die BAMF-zertifiziert sind, sondern Menschen mit pädagogischer und digitaler Kompetenz. Außerdem würden die Kurse weniger kosten und weniger Raumkapazitäten benötigen.

Der gesamte Lernstoff der Integrationskurse steht bereits seit einiger Zeit mit verschiedenen Lerneinheiten zu den einzelnen Sprachniveaus auf dem Portal der Volkshochschulen virtuell zur Verfügung – und kann einfach genutzt werden. In Zeiten von Fachkräftemangel und einer angespannten Haushaltslage also ein Volltreffer. Und auch erste Erprobungen hier zeigen – Frauen werden überdurchschnittlich von Selbstlernangeboten erreicht.

40 Prozent aller zuwandernden Menschen sind Frauen und sie brauchen einen eigenständigen Zugang zu Frauenärzt*innen, Hebammen, Psychiater*innen, Rechtsanwält*innen und Dienstleistungen jeglicher Art. Deshalb muss ihnen ermöglicht werden, Deutsch vom ersten Tag an hier zu lernen. Für ein eigenständiges, unabhängiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe und auch, weil sich die Sprachkenntnisse einer Mutter in der Regel. unmittelbar auf die Sprache ihrer Kinder auswirkt.

Von Sprache hängt einfach alles ab: ihre Mobilität, ihr Zugang zum Gesundheitswesen, ihre Möglichkeiten sich beruflich zu entwickeln und finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. Aber auch die Möglichkeit, sich rechtliche Informationen einzuholen. Deshalb müssen die Integrationskurse und auch die überbrückenden EOK-Kurse ausreichend ausgebaut und finanziert werden. Und das bestehende System muss um flexible Angebote für weniger mobile Personen ergänzt werden.

Und ein letzter Punkt an die Bundesebene: Sprachkurse müssen endlich allen Menschen uneingeschränkt geöffnet werden. Es würde alle Seiten entlasten und sehr viel Bürokratie abbauen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita