Weiter wie bisher ist keine Option

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 17 + 32 + 34 – Flurbereinigungsverfahren stärken, Mündlicher Bericht über landwirtschaftspolitische Schwerpunkte und Ziele 2024, Landwirtschaft braucht Zukunft und Perspektive

Dazu sagt der landwirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,

Dirk Kock-Rohwer:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleg*innen,

ich danke dem Minister für seinen Bericht. Landwirtschaft braucht Zukunft und Perspektive, darin sind wir uns hier einig. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen eindrucksvolle Demonstrationen erlebt, die uns gezeigt haben, dass sich sehr viele Bäuer*innen um die Zukunft ihrer Höfe sorgen.

Ich danke allen, die sich an die Demonstrationsregeln gehalten haben und verurteile hier noch einmal ganz klar die überhitzten Aktionen am Fähranleger in Schlüttsiel. Das war klar ein Übertreten des Demonstrationsrechts. Es kann nicht sein, dass ein Politiker auf dem Rückweg aus dem Urlaub und mit ihm zusammen andere Familien mit Kindern bedrängt und am Verlassen der Fähre gehindert, beschimpft und beleidigt werden.

Die dann folgenden Proteste verliefen weitgehend friedlich und mit Recht. Denn es geht hier um mehr als Agrardiesel und grüne Nummernschilder. Es geht um die großen Zukunftsherausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht. Sie muss Klimaschutz- und andere Umweltauflagen erfüllen. Sie muss mit dem Klimawandel zurechtkommen und ihre Produktion an diese neuen Bedingungen anpassen. Sie muss die Tierhaltung im Sinne von mehr Tierwohl umbauen.

Mit diesen Aufgaben dürfen wir die Landwirtschaft nicht allein lassen. Politik muss die Transformation aktiv begleiten und fördern. Und im Prinzip wissen wir auch, was wir zu tun haben. Wir haben in diesen Fragen kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsdefizit.

Es liegen gut durchdachte Vorschläge auf dem Tisch, sowohl von Expert*innen als auch von Vertreter*innen der landwirtschaftlichen Praxis und von einer breiten, repräsentativen Gruppe von Bürger*innen aus dem Bürgerrat. Ich spreche hier von der Borchert-Kommission, von der Zukunftskommission Landwirtschaft und von den Ergebnissen des Dialogprozesses „Zukunft der Landwirtschaft“, den es hier in Schleswig-Holstein gibt. Und jetzt, ganz neu, auch die Vorschläge des Bürgerrates für Ernährung.

Die Schnittmenge all dieser Vorschläge ist erstaunlich groß. Ich kann deshalb den Unmut über die bisher unzureichende Umsetzung gut verstehen. Zum Beispiel bei der Tierwohlabgabe. Mehr Tierwohl kann es nicht zum Nulltarif geben. Ich freue mich, dass auch der Bürgerrat zu dieser klaren Feststellung gekommen ist. Ich hoffe sehr, dass sich die Ampelkoalition jetzt endlich auf ein Finanzierungsmodell verständigt, dass den Betrieben die nötige Planungssicherheit gibt. Ich denke, wer das politische Geschehen in Berlin verfolgt, wird wissen, dass hier nicht die Grünen im Bremserhäuschen sitzen.

Aber es ist auch nicht nichts geschehen. Der Bund hat das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz für frisches Schweinefleisch beschlossen. Es wird daran gearbeitet, sie auf weitere Vermarktungswege und Tierarten auszuweiten. Der Bund stellt eine große Summe, eine Milliarde Euro, für den Umbau der Tierhaltung bereit. Weit mehr als jemals eine Bundesregierung zuvor, das möchte ich betonen.

Aber wir wissen, dies wird nicht reichen. Und es darf auch nicht sein, dass der Umbau der Tierhaltung, der große und längerfristige Investitionen erfordert, von der jährlichen Haushaltslage abhängig sein soll. Bäuer*innen brauchen wirtschaftliche Planbarkeit, faire Preise und Unterstützung bei der Transformation der Betriebe. Anders ausgedrückt: Weiter wie bisher ist keine Option.

Das gilt auch für die Verwendung fossiler Kraftstoffe. Auch da braucht es mittelfristig ein Umsteuern. Dennoch haben wir, haben grüne Agrarpolitiker*innen in den Ländern und im Bund, die einseitige Belastung der Landwirtschaft durch die offenbar voreilig getroffenen Beschlüsse zur kompletten Streichung der Beihilfe entschieden abgelehnt. Denn kurzfristig gibt es kaum Alternativen. Andere Maßnahmen, wie die Abschaffung des Dienstwagenprivileg, oder im Flugverkehr, währen weitaus sinnvoller und sind seit langem überfällig.

Die Landwirtschaft wird sich ändern, wird sich anpassen müssen. Wer das leugnet, leistet der Landwirtschaft einen Bärendienst. Und damit komme ich zu unserem dritten Antrag, zur Stärkung des Flurbereinigungsverfahrens.

Flurbereinigung hat in den 60er-Jahren die Landwirtschaft stark verändert, mit Vorteilen: Feldstücke wurden zusammengelegt und begradigt, um effizienter zu arbeiten. Der Nachteil: Es wurden viele unserer so typischen Knicks beseitigt oder verschoben. Aus heutiger Sicht ist das nicht nur positiv, damals was es ein Riesengewinn.

Heute wird es oftmals zur Unterstützung des freiwilligen Flächentausches angewendet. Und genau hier liegt der große Nutzen, um Landwirtschaft in den Niederungen weiter zu unterstützen. Mit Blick auf den Klimawandel müssen wir Moorflächen wiedervernässen, um CO2-Ausscheidungen aus dem Boden zu reduzieren. Landwirt*innen mit Viehzucht und Milchwirtschaft wird so die Möglichkeit geboten, auf höher gelegene Flächen auszuweichen und Bäuer*innen, die ihre Zukunft in der ganz anders gearteten nassen Bewirtschaftung sehen, der sogenannten Paludikultur, können dies eben auf den wiedervernässten Moorflächen verwirklichen.

Den Startpunkt dazu in Forschung und Umsetzung liefert die vom BMUV geförderte Klimafarm in der Eider-Treene-Sorge-Niederung im Moment auf den Flächen der Stiftung Naturschutz. Diese Bewirtschaftung mit Nutzung der erzeugten Pflanzenteile in der Industrie ist eine große Chance für diese Gebiete und die dort ansässigen Landwirt*innen und kann und muss durch ein gestärktes Flurbereinigungsverfahren unterstützt werden.

Auch so bieten wir unseren Landwirt*innen einen Weg in eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Darum bitte ich um Zustimmung aller zu diesem Antrag.

Vielen Dank!

Dirk Kock-Rohwer

Sprecher für Landwirtschaft, Forsten, Tierschutz, Katastrophenschutz, Bundeswehr, Verbraucher*innenschutz, Niederdeutsch