Wir brauchen das im Landesnaturschutzgesetz verankerte Vorkaufsrecht mehr denn je

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 9 – Änderung des Landesnaturschutzgesetzes

Dazu sagt die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Silke Backsen:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

im vorliegenden Gesetzesentwurf soll § 50 des Landesnaturschutzgesetzes ersatzlos gestrichen werden. Mit der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes aus dem Jahr 2016 wurde das Vorkaufsrecht für das Land Schleswig-Holstein für Flächen, die zur Umsetzung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gemäß § 1 Bundesnaturschutzgesetz von besonderer Bedeutung sind, wieder eingeführt.

Das Vorkaufsrecht beschränkt sich beispielsweise auf Grundstücke, die in Natura 2000-Gebieten, Nationalparks und Naturschutzgebieten liegen, auf denen sich Moor- oder Anmoorböden oder auf denen sich Vorranggewässer befinden. Die Anwendung des Vorkaufsrechts soll einen Beitrag für einen nachhaltigen Schutz sowie die Wiederherstellung und Entwicklung von Flächen in den genannten Schutzgebieten und Räumen leisten.

Das Land Schleswig-Holstein darf innerhalb enger Grenzen, mit klar formulierten Vorgaben und in einer klar definierten Kulisse dieses Recht ausüben. Dies darf zu Gunsten von Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts und anerkannten Naturschutzvereinigungen aber auch zu Gunsten von Wasser- und Bodenverbänden und Kommunen ausgeübt werden.

Die Mehrheit der Flächen, die das Land über das Vorkaufsrecht ankauft, wird zugunsten der Stiftung Naturschutz erworben. Die Gründung der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein begann Ende der 70er Jahre, in einer Zeit, in der das ökologische Bewusstsein die Gesellschaft ein wenig packte oder erreichte. Der Referent des damaligen Landwirtschaftsministers Günter Flessner (CDU) hatte bei einem Besuch im Wattenmeer das Konzept und die Idee der Stiftung ins Leben gerufen. Jährlich gingen Millionen in den Agrarbereich und in die Wasserwirtschaft. Nur der Naturschutz ging leer aus.

Der erste Ankauf ließ nicht lange auf sich warten: am 01. August 1978 erwarb die Stiftung ihr erstes Stück Land, rund 1,4 Hektar im Delver Koog an der Eider. Die durch die Stiftung Naturschutz verwaltete Fläche umfasst mittlerweile rund 38.000 Hektar, die seit 2016 durch das Vorkaufsrecht hinzugekommene Fläche macht davon weniger als ein Prozent aus.

An dieser Stelle möchte ich nochmal der Stiftung für ihre unverzichtbare Arbeit im und für den Naturschutz danken und vor allen Dingen auch allen Mitarbeitenden und den auf den Stiftungsflächen wirtschaftenden Landwirt*innen.

Die Biodiversitätskrise ist real, der Verlust der Biodiversität bedroht unsere Lebensgrundlagen. Immer weniger Rückzugsgebiete und Schonräume gönnen wir Flora und Fauna, immer mehr schwindet die biologische Vielfalt.

Wir können dabei eine so große Aufgabe wie den Erhalt unserer Artenvielfalt nicht komplett in die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen legen. Wir brauchen dafür auch zusammenhängende Biotopverbünde, in denen Arten Rückzugsräume finden, in denen sie durch gezielte Maßnahmen unterstützt werden können.

Um solche zusammenhängenden Flächen für den Naturschutz zu schaffen, ist das gesetzlich verankerte Vorkaufsrecht ein wichtiges und schonend eingesetztes Instrument. Und schaut man sich die Zahlen einmal an, kann man wirklich nicht von Flächenfraß sprechen. Seit Einführung des Vorkaufsrechts in seiner jetzigen Form 2016 lag der Umfang der angekauften Fläche jedes Jahr deutlich unter 100 Hektar. Oft handelt es sich dabei um Flächen, die wirtschaftlich wenig interessant sind. Der Flächenanteil für Ackerland war zuletzt mit unter drei Hektar pro Jahr verschwindend gering.

Zum Vergleich: Drei Hektar sind die Fläche, die im Schnitt in Schleswig-Holstein jeden Tag für Siedlung, Gewerbe und Verkehr verloren geht – jeden Tag. Wer also auf der Suche nach Flächenfraß ist, sollte dort – also bei uns und sich selbst – anfangen!

Es gibt also aktuell keine politische oder sachliche Begründung für den vorliegenden Gesetzesentwurf. Den Blick auf die Flächen der Stiftung Naturschutz könnten und sollten wir nutzen, um Akzeptanz für ein Nebeneinander von Naturschutz und Landwirtschaft zu schaffen, anstatt diese gegeneinander auszuspielen. Denn die Landwirtschaft braucht eine funktionierende Natur. Andersherum gilt das nicht.

Vielen Dank!

Silke Backsen

stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Sprecherin für Umwelt- und Naturschutz, Meeresschutz, Tourismus