Wir ermöglichen den Kommunen bei der Grundsteuer weiteren Handlungsspielraum

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 2 – Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Schleswig-Holstein

Dazu sagt der finanzpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Brandt:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleg*innen,

die Umsetzung der Grundsteuerreform befindet sich auf der Zielgeraden. Eine Reform, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil 2018 erzwungen hat, nachdem Bund und Länder über 50 Jahre untätig geblieben waren und die Bewertungsgrundsätze seit 1964 – beziehungsweise im Osten Deutschlands seit 1935 – nicht verändert wurden. Das Urteil machte zur Vorgabe, eine realitätsnahe Grundstücksbewertung als Besteuerungsgrundlage zu schaffen. Schleswig-Holstein hat sich dabei wie zehn andere Länder für das Bundesmodell entschieden, stets in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden im Land, die dieses Modell befürworten.

Dabei gibt es das gemeinsame Verständnis, die Reform für Kommunen aufkommensneutral umzusetzen, das bedeutet, dass die Grundsteuereinnahmen einer Gemeinde im alten wie im neuen Modell gleichbleiben. Um die dafür anzuwendenden neuen Hebesätze für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat das Finanzministerium ein Transparenzregister erstellt, das für jede der über 1.100 Kommunen im Land den Hebesatz ausweist, der nach neuem Recht zu Aufkommensneutralität führt. Auch dies wurde in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden umgesetzt.

Im Ergebnis heißt „aufkommensneutral“ allerdings nicht, dass alle Immobilienbesitzer weiterhin die gleiche Grundsteuer zahlen. Hier gibt es Gewinner und Verlierer. Genau das beinhaltet die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts nach einer realitätsnahen Bewertung, auch wenn dabei Pauschalierungen und Vereinfachungen zulässig sind. Insgesamt gilt: Der Wert einer Immobilie hat sich in den letzten 60 Jahren verändert, bei der einen mehr, bei der andere weniger.

Bei der Umsetzung der Grundsteuerreform hat sich nun gezeigt, dass dadurch in einigen Kommunen Wohngrundstücke stärker belastet werden als Nichtwohngrundstücke. Dieser Effekt tritt nicht landesweit auf, sondern regional sehr unterschiedlich und ist nach Experteneinschätzung die logische Folge der Vorgaben aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil. So wird der Professor für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Münster, Marcel Krumm, im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am 24.07.2024 wie folgt zitiert: „Wenn jetzt die Gewerbegrundstücke vergleichsweise günstig wegkommen, dürfte das oft daran liegen, dass sie jahrzehntelang im Verhältnis zu Wohngrundstücken zu teuer bewertet waren.“.

Dennoch ist dies ein Effekt, der in seiner extremen Ausprägung zu Belastungsverschiebungen führen kann. Das Land Nordrhein-Westfalen, das ebenfalls das Bundesmodell anwendet, hat sich daher frühzeitig entschieden, Kommunen die Möglichkeit einer Festsetzung von differenzierenden Hebesätzen für Wohn- und Nichtwohnimmobilien einzuräumen. So können sie je nach regionalen Gegebenheiten bei der Belastung von Wohngrundstücken gegebenenfalls nachsteuern. Daraufhin sind die Kommunalen Landesverbände in Schleswig-Holstein an die Landesregierung herangetreten und haben sich die Übernahme des Modells aus NRW ausdrücklich gewünscht, um unseren Kommunen diese zusätzliche Handlungsoption ebenfalls einzuräumen. Über die Einführung entscheidet jede Gemeinde in eigener Zuständigkeit, genauso, wie vor Ort darüber entschieden wird, ob die neue Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke eingeführt werden soll oder nicht.

Ein in NRW in Auftrag gegebenes Gutachten von zwei renommierten Rechtswissenschaftlern kam mittlerweile zu dem Ergebnis, dass Kommunen, die von der Option der Hebesatzdifferenzierung Gebrauch machen, nicht verpflichtet sind, eine Begründung für diese Entscheidung zu formulieren. Den generellen sozialen Zweck der Wohnkostenreduzierung über die Steuerung des Hebesatzes zeichnen wir mit unserem Gesetz bereits vor, so dass Kommunen diesen Zweck für ihre Hebesatzdifferenzierung einfach übernehmen können. Mögliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Ansatz wurden mit dem Gutachten somit ausgeräumt.

Mit diesem Instrument ermöglichen wir den Kommunen nunmehr weiteren Handlungsspielraum, den sie im eigenen Ermessen nutzen können- oder eben auch nicht.

Vielen Dank!

Oliver Brandt

Sprecher für Haushalt, Finanzen, Metropolregion, Landespersonal