Wir können es uns nicht leisten, die Studierenden so lange im Ungewissen zu lassen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 22 – Psychotherapeutische Weiterbildung endlich ausfinanzieren

Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

wenn Psychologie-Studierende in Schleswig-Holstein über ihre aktuelle Situation sagen „es fühlt sich so an, als würden wir auf ein riesengroßes Nichts zulaufen“ – dann ist das leider zum einen eine sehr akkurate Tatsachen-Beschreibung, zum anderen aber auch Ausdruck der Ohnmacht, in der sich die Studierenden momentan befinden.

Eigentlich hätten in diesem Jahr knapp 60 Psychologie-Studierende in Schleswig-Holstein ihre Approbation nach neuem System abschließen können, um dann im Herbst bereits in die neue Weiterbildung zur Fachpsychotherapeutin einzusteigen. Tatsächlich haben sich von diesen knapp 60 Studierenden allerdings nur drei Personen für die Abschlussprüfung angemeldet, alle anderen haben sich dagegen entschieden. Denn auch am heutigen Tage wissen die Studierenden noch nicht, wo und wie ihre Weiterbildung stattfinden soll, wie sie währenddessen bezahlt werden oder gar wie für die Einrichtungen die Refinanzierung geregelt wird.

Es ist de facto nichts final geregelt, auch nicht zu den Zielbereichen Theorie, Supervision und Selbsterfahrung. Deshalb kann ich leider jede Studierende verstehen, die in diesem Jahr die Entscheidung getroffen hat, nicht weiter darauf zu hoffen, dass sich Politik und Gesundheitswesen schon auf eine Lösung bis Herbst einigen werden.

Seit Monaten, eigentlich seit Jahren ist allen beteiligten Akteur*innen bekannt, was auf sie zukommt. Im Ländervergleich sind wir in Schleswig-Holstein schon weit, das ist auch unserer sehr engagierten Psychotherapeutenkammer zu verdanken, die schon vor einigen Monaten die Weiterbildungsordnung für Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht hat. Außerdem findet die Vernetzung zwischen möglichen Weiterbildungseinrichtungen, den Universitäten und der Kammer über den Pakt für die Gesundheits- und Pflegefachberufe statt.

Doch ohne eine adäquate Refinanzierung über die Kassen stockt der Prozess. Weder wissen die Studierenden momentan also, wieviel sie während der Weiterbildung am Ende tatsächlich verdienen, noch wissen sie, welche Einrichtungen Weiterbildungen anbieten werden.

Dabei ist diese Halbherzigkeit im politischen Prozess nicht nachvollziehbar, denn bereits im kommenden Jahr sprechen wir über bis zu 2500 Absolvent*innen in Deutschland jährlich, deren Weiterbildung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geregelt ist. Dabei können wir es uns bei dem steigenden Bedarf in der Psychotherapie nicht leisten, die Studierenden so lange im Ungewissen zu lassen, ihre Ausbildungszeit sogar dadurch noch zu verlängern und im schlimmsten Falle für die psychotherapeutische Versorgung vielleicht sogar ganz zu verlieren.

Es ist deshalb auch gut, dass wir den Interessen der Studierenden hier heute im Landtag eine weitere Öffentlichkeit verschaffen und klarmachen, dass wir an ihrer Seite stehen, und dass sich das Land Schleswig-Holstein weiter dafür stark machen wird, all die Vorschläge, die seit Monaten, gar Jahren auf dem Tisch liegen, auch umzusetzen, denn ansonsten gefährden wir die ohnehin schon bröckelnde psychotherapeutische Versorgung in Schleswig-Holstein und ganz Deutschland und das können wir uns wirklich nicht erlauben.

Es muss auch zum politischen Diskurs dazugehören, Fehler einzugestehen und nicht um den heißen Brei herumzureden. Als Gesundheitsminister Jens Spahn die Novelle des Psychotherapeutengesetzes auf den Weg gebracht hat, hat er es versäumt – damals in der großen Koalition – den Prozess zu Ende und die notwendigen gesetzlichen Regelungen auf den Weg zu bringen. Als dann 2021 die Ampel ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sie diese Aufgabe geerbt und seit Beginn der Legislaturperiode leider ebenfalls versäumt, die Rahmenbedingungen zur Weiterbildung sicherzustellen. Und auch ich muss gestehen, dass ich die Relevanz des Themas leider zu spät verstanden habe.

Das ist, liebe Kolleg*innen, eigentlich eine politische Bankrotterklärung. Richtige Ideen nur auf den Weg zu bringen aber nicht abzuschließen, das ist so, wie eine gute Therapie ein paar Sitzungen laufen zu lassen, nur, um sie dann auf einmal abrupt abzubrechen und nicht zum Abschluss zu bringen.

Und wie schädlich das ist, dazu können die angehenden Fachpsychotherapeut*innen und Studierenden am aller meisten sagen. Wir wären gut beraten, auch hier auf sie zu hören und deshalb bitte ich die Landesregierung inständig darum, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Refinanzierung für alle Bereiche, nicht nur den ambulanten Bereich, sondern auch den stationären und institutionellen im Rahmen des GVSG so schnell wie möglich kommt. Dass wir hier auf Landesebene alles tun, um nach gesicherter Finanzierung so schnell wie möglich gute Weiterbildungsstrukturen für die Studierenden zu haben und gemeinsam dafür zu sorgen, dass das große Nichts, vor dem die Studierenden gerade stehen, sobald wie möglich kleiner wird und am Ende ganz verschwindet. Wir brauchen sie nämlich, jede und jeden einzelnen von ihnen!

Vielen Dank!

Jasper Balke

Sprecher für Gesundheit, Pflege, Ehrenamt, Sport, Gesundheitswissenschaften, Medizinische Forschung und Lehre