Die Bezahlkarte wird die Herausforderungen in der Migrationspolitik nicht lösen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 19 – Bezahlkarte zielführend ausgestalten

Dazu sagt die Abgeordnete der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Uta Röpcke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

wir diskutieren hier heute nicht zum ersten Mal die Bezahlkarte für Geflüchtete, die wie ein Wunderwerk der Asylpolitik klingt, will man ihren Befürworter*innen Glauben schenken:

Markus Söder möchte mit seiner „härteren“ Kartenlösung – Bayern hat sich sofort für einen Sonderweg entschieden – „Onlineshopping, Glücksspiel und Überweisungen ins Ausland“ stoppen. Christian Lindner möchte damit die „illegale Migration“ reduzieren, da die Karte „finanzielle Anreize für die Einreise“ minimiere.

Da haken Sie, liebe FDP, nun ein, wiederholen die These Ihres Parteivorsitzenden und ergänzen diese um deren Wirkung bei der Bekämpfung von Schlepperbanden, an die staatliche Gelder direkt weitergeleitet würden. Sie suggerieren, dass durch die Karte eine Migrationssteuerung möglich wäre, indem bei ihrer Einführung in Schleswig-Holstein die Ausgestaltung möglichst restriktiv umgesetzt wird.

In der ersten Version Ihres Antrags sollte keine Bargeldauszahlungen möglich sein, in der neuen Version immerhin eine „geringfügige Bargeldauszahlung“, welche Summe auch immer sie darunter verstehen. Es sollen keine Transaktionen vorgenommen werden können und durch die Asylbehörde angeordnet soll eine regionale Nutzungseinschränkung möglich sein.

So wollen Sie „Anreize für die illegale Migration“ senken. Und das, obwohl es in der Migrationsforschung bislang keine Belege dafür gibt, dass die Höhe der Sozialleistungen oder die Art und Weise ihrer Auszahlung einen nachweisbaren Effekt auf Migration hätten.

Das Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt-Universität hat erst kürzlich wieder in einer Studie dargelegt, dass die Größe eines Landes, dessen Wirtschaftsleistung sowie die vorhandenen sozialen Kontakte einen nachweisbaren Effekt auf Migrationsentscheidungen haben, aber nicht die Höhe des als Sozialleistungen ausgezahlten Bargelds.

Und bemerkenswerterweise hat sogar der MasterCard Deutschland Chef Peter Robejsek gestern in der WELT von der persönlichen Fluchtgeschichte seiner Eltern berichtet und meines Erachtens sehr zutreffend darauf verwiesen, dass er sich nicht vorstellen kann, dass eine Bargeldkarte seine Eltern von der Flucht aus einer kommunistischen Diktatur, der ehemaligen Tschechoslowakei, abgehalten hätte.

Bekannt und von der Migrationsforschung mehrfach belegt ist vielmehr, dass Push-Faktoren wie Krieg, Verfolgung oder Klimawandel eine viel entscheidendere Rolle bei Migrationsentscheidungen spielen.

Sie sollten diese Zahlen, Daten und Fakten der Migrationsforschung endlich zur Kenntnis nehmen und sie zur Grundlage Ihrer Politik machen, anstatt sich Fantasien von Bevormundung und Einschränkung von Asylbewerber*innen hinzugeben, wie Sie sie in Ihrem Antrag fordern.

Sie suggerieren den Menschen, dass diese „Scheinlösung“ die realen Herausforderungen, vor die uns Zuwanderung stellt, löst. Und darauf habe ich mich bezogen, als ich am Dienstag in diesem Zusammenhang von „fehlgeleiteter Politik“ gesprochen habe.

Dass wir Grünen die Bezahlkarte skeptisch bewerten, ist kein Geheimnis. Die Bezahlkarte wird auch hier in Schleswig-Holstein kommen, so haben wir uns mit unserem Koalitionspartner geeinigt. Es ist gut, dass es bundesweite Mindeststandards und ein einheitliches Vergabeverfahren gibt.

Muss der Bund dafür das Asylbewerberleistungsgesetz ändern? Wenn Expert*innen die Notwendigkeit sehen, die Bezahlkarte, wie sie jetzt als neues Instrument vereinbart ist, rechtlich auch entsprechend im Gesetz zu hinterlegen, spricht für uns nichts dagegen. Auch wenn es mich schon wundert, warum es dann jetzt schon für einzelne Länder und Kommunen möglich ist, die Bezahlkarte im aktuell geltenden Rechtsrahmen auszugeben. Klar ist für uns Grüne: Es darf ausschließlich darum gehen, den vereinbarten Status Quo abzubilden und das bedeutet auch, keine Asylrechtsverschärfungen durch die Hintertür zuzulassen.

Unser Ziel muss es jetzt sein, die Bezahlkarte so diskriminierungsfrei wie möglich auszugestalten: Der Weg zu Angeboten und Dienstleistungen wie den Tafeln, den Sozialkaufhäusern oder Flohmärkten muss genauso möglich sein wie die Bargeldabhebung im Supermarkt. Die Bezahlkarte soll einer Entlastung der Verwaltung dienen, dann kann die Bezahlkarte für die Geflüchteten und für Land und Kommunen eine Erleichterung bedeuten.

Und bei dieser Gelegenheit möchte ich allen Migrationsdiensten in den Kommunen, allen Jobcentern, Koordinierungsstellen, allen Menschen, die Zugewanderten hier in Schleswig-Holstein das Ankommen erleichtern, ganz herzlich für Ihre Arbeit danken.

Der SSW zeigt wie immer sehr pragmatisch einen Weg auf, wie die Karte ausgestaltet werden könnte. Inhaltlich steht der Antrag damit in der Tradition, die wir in Schleswig-Holstein immer gefahren sind: Die Asyl- und Migrationspolitik pragmatisch, praktikabel und liberal zu gestalten. Inhaltlich stimmen wir Grüne mit Ihrem Antrag überein. Die Koalitionsraison zwingt uns dennoch dazu, diesen Antrag abzulehnen.

Die Herausforderungen, vor die uns Zuwanderung stellt, wird nicht die Bezahlkarte lösen, sondern das müssen wir alle gemeinsam tun. Und dabei sind wir und diese Landesregierung in Schleswig-Holstein auf einem sehr guten Weg.

Vielen Dank!

Uta Röpcke

Parlamentarische Geschäftsführerin

Sprecherin für Erwachsenen- und Weiterbildung, Kultur, Denkmalschutz