Der erste Integrations- und Zuwanderungsbericht 2022 zeigt, wieviel schon passiert und wo noch Lücken sind

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 40 – Erster Integrations- und Zuwanderungsbericht 2022

Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,

Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,

zunächst einmal danke ich Ministerin Touré und den Fachleuten in ihrem Ministerium für den vorliegenden schriftlichen Integrations- und Zuwanderungsbericht.

Auf über 160 Seiten werden die Ansätze schleswig-holsteinischer Migrations- und Teilhabepolitik ausführlich beschrieben. Und es wird aufgezeigt, wo wir Lücken haben und nachbessern müssen, vor welchen Herausforderungen wir stehen und dass Integration und Teilhabe eine Querschnittsaufgabe aller Ressorts ist und sein muss, um eine interkulturelle Öffnung der Regelstrukturen und Regeldienste zu erreichen.

Damit ist eine wichtige Faktenbasis geschaffen worden, um zu ermitteln mit welchen Schritten wir die Ziele unseres Integrations- und Teilhabegesetzes von 2021 künftig erreichen können. Auch wenn viele es als stumpfes Schwert empfinden, ist ein Gesetz doch immer nur so schwach oder stark wie die Politik, die Behörden und Menschen, die es anwenden.

Hier steht, „der Zugang zu Integrationsangeboten wird mit Beginn des Aufenthalts in Deutschland geschaffen“. Das heißt, der Zugang zu Sprachkursen, zu Anpassungsqualifizierungen, zu Teilhabeangeboten soll für jede Person von Beginn an da sein.

Hier steht, „bei allen Maßnahmen ist auf die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Mädchen zu achten“. Dieser Grundsatz sollte also in allen Bereichen unserer Integrationsarbeit umgesetzt werden.

Und hier steht, das Land unterstützt Maßnahmen, die „den Zugang zu ausländerrechtlichen Informationen gewährleisten und landesweit analog wie digital ausbauen“. Also ein Bekenntnis zur Digitalisierung der Zuwanderungsbehörden und der Antragsstellung bei Verlängerung eines Aufenthaltspapiers oder einer Beschäftigungserlaubnis.

Wie weit sind wir in diesen Zielen und Maßnahmen? Noch nicht so weit wie wir es gerne wären und regional sehr unterschiedlich aufgestellt.

Der Bericht skizziert unsere Ausgangslage. Und wir werden nun Schritt für Schritt – angefangen mit der Weiterentwicklung des Integrations- und Teilhabegesetzes – Öffnungen und Verbesserungen vorantreiben. Insbesondere in der aktuellen Zeit und dem gefühlten Rechtsruck in unserer Gesellschaft müssen wir positiv über Einwanderung und Integration sprechen.

Wir müssen darüber sprechen, dass es um Menschen geht, um Menschenrechte und um einen würdigen Umgang miteinander. Wir müssen darüber sprechen, dass es politisch und gesellschaftlich keinen Sinn ergibt, mehr Restriktionen und Arbeitsverbote aufzubauen, wenn man gleichzeitig will, dass Kommunen und Sozialsysteme entlastet werden.

Menschen, denen verboten wird, hier zu arbeiten oder an Deutschkursen teilzunehmen, werden weder ökonomisch selbst für sich sorgen können, noch aus einer kommunalen Unterkunft ausziehen noch unsere Arbeits- und Fachkräftelücke schließen.

Die aktuelle Debatte geht deshalb in die falsche Richtung und muss zukunftsorientiert und gerecht geführt werden. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für Asyl und Zuwanderung würde wieder steigen, wenn diese Zusammenhänge ehrlich dargestellt werden würden.

Und wenn die Menschen endlich uneingeschränkt arbeiten und eine Ausbildung machen könnten. Ganz Deutschland, aber auch jedes Bundesland für sich, muss dazu eine Entscheidung treffen. Ob es sich interkulturell weiter öffnet und Menschen in ihrer Selbstständigkeit fördert und stärkt, oder es lieber Vorurteilen Raum gibt und restriktiv handelt.

Bei all den aktuellen Debatten muss klar sein, je restriktiver die Integrationspolitik eines Bundeslandes, desto mehr Probleme wird es mit Zuwanderung geben. Und je offener und integrationsorientierter, desto mehr positive Erfahrungen können Menschen miteinander machen.

Ich möchte, dass wir positive Erfahrungen machen: wir als gesamte Gesellschaft. Die Menschen, die zu uns kommen und die Menschen, die schon hier leben. Aus meiner Sicht ist das kein Pull-Faktor, der abgestellt werden muss, sondern zukunftsorientierte Politik.

Wir brauchen ein durchlässigeres Bildungssystem, einen unkomplizierteren Zugang zu Arbeit und müssen die Bürokratie in den Zuwanderungsbehörden abbauen.

Wenn wir eine erfolgreiche Integrationspolitik wollen, also Menschen, die selbst eine Wohnung mieten, ihr eigenes Geld verdienen und Steuern zahlen, voll am Bildungswesen partizipieren und sich auch politisch beteiligen. Mit in die Verantwortung gehen für diese Gesellschaft, Umwelt und Natur. Und wenn wir eine diverse Arbeitnehmer*innen- und Unternehmer*innenschaft wollen.

Wenn wir all das wollen, dann müssen wir auch danach handeln, mit dem öffentlichen Dienst voran gehen und strukturelle Hürden in der Zuwanderungsverwaltung konsequent abbauen.

Wir benötigen nachhaltige Strukturen in der Migrationsarbeit – mit personeller Kontinuität und langfristiger Planungssicherheit. Ein Blick in unser Integrations- und Teilhabegesetz lohnt sich. Und dieser erste Begleitbericht dazu zeigt, dass vieles schon gut läuft und es noch einiges zu tun gibt.

Lassen Sie uns diesen positiven Kurs halten! Und darauf weiter selbstbewusst aufbauen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita