Die gemeinsame Tilgung der Corona- und Ukraine-Notkredite wird nun in Gesetzesform gegossen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 3 – Feststellung eines gemeinsamen Tilgungsplans für die zur Bekämpfung der SARS-CoV-2/COVID19-Pandemie sowie zur Abfederung der finanziellen Herausforderungen in Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gemäß Artikel 61 Absatz 3 der Verfassung des Landes SH erfolgten Überschreitungen der zulässigen Kreditaufnahme

Dazu sagt der finanzpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Brandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Definition für Ausnahmen von der Schuldenbremse ist in Artikel 61 der Landesverfassung klar geregelt: Für den Fall von Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen kann vom Grundsatz abgewichen werden, dass Einnahmen und Ausgaben ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber verpflichtet, einen Tilgungsplan über die Rückführung der aufgenommenen Notkredite „binnen eines angemessenen Zeitraumes“ zu beschließen.

Mit dem vorliegenden Tilgungsgesetz wird die gemeinsame Tilgung der Corona- und Ukraine-Notkredite und damit die Vorgabe des letzten einschlägigen Landtagsbeschlusses nun in Gesetzesform gegossen. Ebenso wie die Notkreditermächtigungen muss das Tilgungsgesetz mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Landtags beschlossen werden, was die Tragweite unserer heutigen Entscheidung unterstreicht.

Die Tilgungssumme ist mit rund 2,9 Milliarden Euro zwar schon deutlich geringer als die ursprüngliche Corona-Notkreditermächtigung mit 5,5 Milliarden Euroda sie zwischenzeitlich durch Sondertilgungen beziehungsweise Absenkungen des Kreditrahmens deutlich verringert wurde. Dennoch bleibt eine enorme Belastung, die auch kommende Generationen als große Hypothek aus den Krisenjahren begleiten wird.

Die Tilgung beginnt mit relativ moderaten Beträgen – 30 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren, 50 Millionen Euro 2026 – und wächst im weiteren Verlauf stetig auf. Im Jahr 2040 wird die Rate nach jetzigem Stand 99 Millionen Euro betragen, im Jahr 2050 160 Millionen Euro. Diese Summen, ganz abgesehen von den anfallenden Zinsen, werden den Gestaltungsspielraum der Landespolitik sehr lange begrenzen.

Führt man sich vor Augen, dass es seit der verbindlichen Einführung der Schuldenbremse in den Ländern 2020 noch kein Haushaltsjahr gab, in dem wir ohne die Nutzung der Ausnahmeregelung ausgekommen sind, muss einkalkuliert werden, dass in diesem langen Tilgungszeitraum weitere außergewöhnliche Notsituationen hinzukommen können.

Diese Überlegung zeigt, dass die Schuldenbremse in der jetzigen Form ihre dauerhafte Tragfähigkeit erst noch unter Beweis stellen muss. Die Debatte, welche Möglichkeiten die Schuldenbremse einräumt und einräumen sollte, steht erst am Anfang und wird uns weiter beschäftigen.

Vor kurzem hat der Wissenschaftliche Dienst des Landtags die Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung des Ukraine-Notkredits um eine Milliarde Euro im November 2022 in einem Gutachten bewertet. Darin sind verschiedene Rechtsfragen erörtert worden. Ich möchte dabei einen Aspekt herausgreifen: Die Frage, ob es einen ausreichenden Sachzusammenhang der kreditfinanzierten Maßnahmen mit der Überwindung der Notsituation gibt. Insbesondere ist streitig, ob die enthaltenen Projekte der Energiewende, Energiesouveränität und Dekarbonisierung der Wirtschaft mit dem Ukraine-Krieg und seinen Auswirkungen in einem ausreichenden, sachlichen Zusammenhang stehen.

Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Nach meiner Auffassung ist die Landesverfassung nicht so zu interpretieren, dass Maßnahmen zur Bekämpfung einer Notsituation nicht gleichzeitig der Erreichung anderer wichtiger Ziele dienen dürfen. Ja, die Dekarbonisierung der Wirtschaft war schon vor dem Ukraine-Krieg notwendig, doch ist sie als Maßnahme zur Bekämpfung der Folgen der Energiekrise nur noch dringlicher geworden.

In jedem Fall wird die Frage, wie die Schuldenbremse angesichts der Herausforderungen der Klimakrise zu bewerten ist, früher oder später geklärt werden müssen, auch vor dem Hintergrund, dass erste Bundesländer planen, kreditfinanzierte Sondervermögen auch für Klimaschutz einzurichten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nur feststellen, dass der Wissenschaftliche Dienst den Notkredit nicht als verfassungswidrig eingestuft hat.

Es bleibt abzuwarten, wie das Bundeverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren die entsprechenden Beschlüsse zur Notlage sowie zur Mittelverwendung auf Bundesebene bewerten wird. Sollte sich daraus oder aus künftigen Urteilen Handlungsbedarf ergeben, werden wir unsere Beschlüsse selbstverständlich anpassen. Die Übereinstimmung der Haushalsgesetzgebung mit den Vorgaben unserer Verfassung muss jederzeit gegeben sein.

Vielen Dank!

Oliver Brandt

Sprecher für Haushalt, Finanzen, Metropolregion, Landespersonal