Mehr Anerkennungsmöglichkeiten für Studierende mit Berufserfahrung

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 4 – Staatliche Anerkennung akademischer Sozialberufe

Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

wir diskutieren heute über die staatliche Anerkennung für Sozialberufe und zunächst einmal ist es erfreulich, dass wir dafür überhaupt ein Gesetz brauchen. Mit nur einer Hochschule für Soziale Arbeit in Schleswig-Holstein war das nicht der Fall.

Inzwischen wird Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik in Schleswig-Holstein an mehr als einer Uni gelehrt, aktuell auch an der dualen Hochschule, aber in Zukunft ja vielleicht auch noch an weiteren Standorten wie beispielsweise an der Westküste.

Das ist ein Gewinn für Studierende, die mit der dualen Ausbildung ein praxisorientiertes und finanziell abgesichertes Studienangebot bekommen, aber auch wichtig, weil so endlich mehr Ausbildungsmöglichkeiten in einem Bereich entstehen, der stark vom Fachkräftemangel betroffen ist.

Und so regelt der vorliegende Gesetzesentwurf auch weitestgehend das, was bereits vorher durch den Erlass geltende Situation war. Doch an ein paar Stellen haben wir noch Änderungen vorgenommen und auf die gehe ich gern ein.

Wir ändern die im Entwurf stehende Muss-regelung für das sogenannte Behördenpraktikum in eine Kann-Regelung. Der Erwerb von Verwaltungskompetenzen ist für Sozialarbeiter*innen zentral, egal ob sie bei freien Trägern oder in der Verwaltung selbst arbeiten. Die Frage ist, ob es grundsätzlich ein vierwöchiges Praktikum in einer Behörde braucht, um diese zu erlernen.

Ich nenne mal ein Beispiel: Wer nach dem Studium als Schulsozialarbeiterin tätig werden möchte, macht das Anerkennungsjahr an einer Schule und muss dann, weil die Schule selbst nicht als Träger für das Behördenpraktikum anerkannt wird, trotzdem nochmal in eine Sozialbehörde, meistens dann zum ASD, wo das Arbeitsfeld ein völlig anderes ist.

Nebenbei ist aber vor allem die Freistellung und die Bezahlung für die vier Wochen ein Problem. Wer Glück hat, wird vom Arbeitgeber für die vier Wochen freigestellt und bekommt sein Gehalt weiter. Wer Pech hat, bekommt die Freistellung nicht, absolviert das Praktikum in der Urlaubszeit und hat dann eben ein Jahr keinen Urlaub.

Oft erfolgt zwar die Freistellung, allerdings unbezahlt, und die angehenden Sozialarbeiter*innen haben einen Monat vollständigen Gehaltsausfall. Das ist bei einem regulären Gehalt einkalkulierbar, das Anerkennungsjahr gilt allerdings als Praktikum und entsprechend reicht das Geld eh schon kaum, schwer, da Rücklagen für einen gesamten Monat zu bilden.

Mit der jetzt gewählten Kann-Formulierung kann die Hochschule nach wie vor darauf hinwirken, dass die Verwaltungserfahrung in die Anerkennungszeit integriert wird, es wird aber nicht mehr verpflichtend vorausgesetzt.

Wir haben die Anerkennungsmöglichkeiten für Menschen mit Ausbildung oder Berufserfahrung gestärkt. Viele Menschen, die soziale Arbeit oder Kindheitspädagogik studieren, haben vorher eine Ausbildung zum*zur Erzieher*in gemacht oder bereits länger im sozialen Bereich gearbeitet. Kindheitspädagog*innen können bereits jetzt mit einer Erzieher*innen-Ausbildung auf das gesamte Anerkennungsjahr verzichten, Sozialarbeiter*innen haben hingegen keine Anrechnungsmöglichkeit. Und das, obwohl am Ende beide Studiengänge formal denselben Abschluss erzielen. Mit unserer Änderung schaffen wir nun die Möglichkeit für Erzieher*innen, das Anerkennungsjahr zu halbieren. Das ist gerade für Menschen, die sich fragen, ob sie sich die Weiterbildung als Sozialpädagog*in leisten können, zentral.

Außerdem sollen auch für weitere Berufserfahrungen Anerkennungsmöglichkeiten geschaffen werden. Damit diese transparent und einheitlich für alle Studierenden sind, sollen die Hochschulen diese in einer eigenen Richtlinie veröffentlichen.

Das Thema, was allerdings die meisten Studierenden beschäftigt, ist die Frage, wie lang die Anerkennungszeit insgesamt dauert. In vielen anderen Bundesländern ist die praktische Zeit auf sechs Monate reduziert worden und ins Studium integriert. Mit dem Gesetzentwurf ermöglichen wir beide Optionen, das Praxissemester ebenso wie das Anerkennungsjahr.

Gerade in Anbetracht des Fachkräftemangels halte ich eine solche Reform für bedenkenswert. Wer nach einem Studienplatz sucht, stellt schnell fest, dass man in Schleswig-Holstein länger studiert als in Hamburg und entscheidet sich möglicherweise gegen ein Studium hier.

Aber: Welche Qualitätsansprüche an die praktische Zeit gelegt werden, liegt nun bei den Hochschulen und ich denke, das ist auch ganz gut so.

Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf. 

Vielen Dank.

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung