Prinzipien der wehrhaften Demokratie sind eine politische Notwendigkeit

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 21ff – Keine Toleranz bei Drohungen, Schmähungen und Verunglimpfungen u.a.

Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jan Kürschner:

Sehr verehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,

am 8. September 1948 stellte bei den Beratungen über das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat der Abgeordnete Carlo Schmid die folgende Frage: „Soll man sich auch künftig so verhalten, wie man sich zur Zeit der Weimarer Republik zum Beispiel den Nationalsozialisten gegenüber verhalten hat?“

75 Jahre später ist diese Frage wieder aktuell. Größere Bevölkerungsteile wenden sich von der Demokratie ab. Dies drückt sich nicht nur in Wahlergebnissen und Umfragewerten für die AfD aus, einer im Kern antidemokratischen Partei, auch zeigen Umfragen eine erheblich verbreitete Ablehnung unserer Demokratie und ihrer Werte. Dieser Einstellung müssen wir alle als Demokrat*innen Beharrlichkeit entgegensetzen.

In Art. 20 GG wurden 1949 Demokratie und Rechtsstaatlichkeit festgelegt: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Flankiert wurde das durch die sogenannte Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3, einer zentralen Stelle des Grundgesetzes, die die Garantie der Menschenwürde und die Demokratie und den Rechtsstaat unverrückbar festschreibt und in diesen Punkten jede Veränderung verhindert. Richtigerweise. Genau diese Dinge sind es, die wir unter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstehen.

Weiter sagte Carlo Schmid: „Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Ja, ich möchte weiter gehen. Ich möchte sagen: Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“

Diesen Mut brauchen wir heute, denn dass demokratische Strukturen aus dem Parlament heraus angegriffen werden, geschieht nicht zum ersten Mal in der Geschichte. Wir müssen jetzt gegensteuern! Ich wiederhole mich hier: 75 Jahre nach Schaffung des Grundgesetzes sind die Anwendung der Prinzipien der wehrhaften Demokratie eine politische Notwendigkeit.

Von ungünstigen Entwicklungen ist am ehesten unsere Justiz bedroht. Sollte eine undemokratische Partei in einem Parlament oder einem anderen wichtigen Gremium über ein Drittel der Sitze erhalten und auf diese Weise an eine Sperrminorität für Zwei-Drittel-Entscheidungen gelangen, droht eine Blockade, die das Justizsystem empfindlich beeinträchtigen kann. Wichtige Ämter könnten nicht besetzt werden, nur damit gesagt werden kann: „Schaut her, die Demokratie funktioniert nicht“.

Was einem dazu an Vorbeugung spontan einfällt, könnte jedoch bereits der Justiz an einem anderen Ende schaden. Die Pluralität in der Justiz ist von großem Wert für ihre allgemeine Akzeptanz. Es gilt, hier mit Bedacht vorzugehen. Ein weiterer bedeutsamer Punkt ist außerdem die Stabilität von Staatsverträgen, um es einmal ganz allgemein auszudrücken.

Liebe Kolleg*innen, meine große Hoffnung ist, dass im Jahr 2049 hier im Landtag Abgeordnete stehen, die dieses Grundgesetz feiern. Tun wir als Abgeordnete dafür unser Bestes.

Vielen Dank.

Jan Kürschner

Sprecher für Innen, Recht, Medien, Datenschutz, Open Data