Wir brauchen nicht mehr Behandlungen, sondern eine bessere Versorgung 20. Juni 202520. Juni 2025 Es gilt das gesprochene Wort! TOP 27 – Bericht zur Einführung eines verpflichtenden Primärarztsystems Dazu sagt die Abgeordnete der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben: Sehr geehrte Damen und Herren, wer kennt es nicht? Der nervige Kampf um einen Termin in einer Arztpraxis. Vor allem für die Menschen, die nicht privat versichert sind. Der Kampf mit Hotlines, mit nervigen Jingles und dann Wartelisten. Ich kenne es und für viele Menschen ist dieses Warten mit großen Problemen behaftet – mit Schmerzen, Ängsten, Arbeitsunfähigkeit. Die Idee, die Versorgung stärker über die Hausärzt*innen laufen zu lassen, findet viel Zustimmung auch bei dem Vorsitzenden des Hausärzteverbandes in Schleswig-Holstein. Zumal viele Hausärzt*innen diese koordinierende Rolle ja auch heute schon wahrnehmen. Und auch wir begrüßen es, wenn die knappen Ressourcen, die wir bei manchen Facharztrichtungen haben, denen zuerst zugutekommen, die sie dringend brauchen, und nicht denen, die am meisten dafür bezahlen können. Das ist eine hochgradig soziale Frage. Und eine koordinierte Steuerung bei der/dem Hausärzt*in kann auch so manchen Weg durch die ärztlichen Mühlen verhindern. Das spart Geld, aber vor allem kann es Belastung von den Patient*innen nehmen und im besten Fall auch zu einer schnelleren und besseren Therapie helfen. Und sie werden es ahnen, wie bei allen politischen Ideen: es gibt natürlich ein aber. Deshalb ist die Idee auch nicht neu und noch nicht umgesetzt, weil es eben nicht so einfach ist Es gibt auch Hausarztpraxen, die schon jetzt so überlaufen sind, dass sie keine Neupatient*innen mehr annehmen. Die keine Kapazitäten haben, jede Patient*in vor und nach einem Facharzttermin zu beraten. Außerdem ist nicht klar, wie die Idee von multiprofessionellen Teams in den Praxen umgesetzt werden soll, angesichts des eklatanten Fachkräftemangels gerade auch bei medizinischem Assistenzpersonal. Hier muss also parallel eine Fachkräfteinitiative gestartet werden und über das Budget der Hausarztpraxen gesprochen werden, damit sie auskömmliche Löhne zahlen können – und müssen. Die neuen Teams müssen entsprechend aus- und fortgebildet werden. Allgemeinmedizin und Pflege auf Augenhöhe. Und es muss ausreichende Ausnahmen geben, die dann immer Gefahr laufen, dass sie der Standard werden. Menschen, die akut Hilfe brauchen und keine zeitlichen Kapazitäten haben, müssen noch ihre*n Hausärzt*in aufzusuchen. Hier werden sicher digitale Lösungen eine große Hilfe sein. Das sind viele berufstätige Menschen, aber auch Menschen, die Assistenz brauchen und durch ihre Assistenz nicht flexibel bei der Terminierung sind. Das Wichtigste aber ist aus meiner Sicht, dass die sogenannten Primärärzt*innen, die man eigentlich auch weiter Hausärzt*innen nennen könnte, wirklich so ausgestattet, will heißen bezahlt werden, dass sie diese koordinierende Rolle auch wahrnehmen können. Bei den derzeitigen Budgetsätzen ist das oft nicht möglich und viele Praxen geben ihre Sitze auf oder finden keine Nachfolger. Nicht nur im ländlichen Raum, aber gerade dort. Das neue System darf nicht nur ein Etikett und ein neuer Name auf dem Türschild sein. Es muss auch fair finanziert sein. Ich fasse zusammen: Wir brauchen nicht mehr Behandlungen, sondern eine bessere Versorgung, die präventiv wirkt, wohnortnah stattfindet, unabhängig vom Geldbeutel ist und die Ressourcen unseres Gesundheitswesens sinnvoll einsetzt. Ich danke der Ministerin für ihren Bericht und ich bin mir sicher, dass wir die Einführung des Systems in Schleswig-Holstein auch als Parlament in Zukunft eng begleiten werden. Eka von Kalben Landtagsvizepräsidentin Sprecherin für Europa, Religion und Inklusion Webseite von Eka von Kalben Eka von Kalben auf Instagram Eka von Kalben auf Facebook X LinkedIn E-Mail an Eka von Kalben Mehr erfahren