Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten und die geplante GEAS-Reform widersprechen der Genfer Flüchtlingskonvention

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 22 – Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten und GEAS

Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen, Catharina Nies:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Damen und Herren,

der vorliegende FDP-Antrag zur Asylpolitik ist hochgradig irreführend. Zugegeben, ähnlich irreführend wie manche Debatten hierzu in einigen Talkshows. Aber das macht es ja nicht besser.

Einerseits fordern Sie, dass wir uns als Landtag zu der „humanitären Verpflichtung Europas zur Aufnahme von Schutzsuchenden und zu dem Grundrecht auf Asyl“ bekennen sollen. Wunderbar. Sehr gerne. Da bin ich dabei.

Aber Ihre Schlussfolgerung ist dann: Für das „Grundrecht auf Asyl“ und eine „verantwortungsvolle Asylpolitik“ wollen Sie

  1. die deutsche Liste von sicheren Herkunftsstaaten auf Georgien und Moldau ausweiten und
  2. der Einigung im EU-Rat am 8. Juni 2023 zum GEAS-Paket zustimmen.

Das ist ein Widerspruch in sich. Weder das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten noch das vorliegende GEAS-Paket werden das Grundrecht auf Asyl wahren!

Im Gegenteil. Sie entziehen es vielen Schutzsuchenden. Das ist nicht verantwortungsbewusst, sondern verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Und ich muss Ihnen auch diese letzte Hoffnung noch nehmen: Beide Vorhaben werden nicht zu einer Reduzierung von, wie sie schreiben, „irregulärer Migration“ führen. Im Übrigen: auch nicht zu einer Entlastung unserer Kommunen.

Im Gegenteil. Flüchtende Menschen werden nur noch gefährlichere Wege in Kauf nehmen müssen, wenn Sie in der EU einen Asylantrag stellen wollen. Schlepper werden gestärkt. Die Behörden der EU-Staaten bekommen mehr Bürokratie und mehr Prüfschritte, die Gerichte bekommen mehr Klageverfahren. Das ist die Realität des GEAS-Pakets.

Und die Wirtschaft verliert noch mehr Arbeits- und Fachkräfte durch die neuen Ausbildungs- und Beschäftigungsverbote bei den sicheren Herkunftsstaaten. Die Konzepte, die Sie vorschlagen, verstoßen also nicht nur gegen die Menschenrechte und den Flüchtlingsschutz, sie sind auch ökonomischer Unsinn.

Bei beiden Vorhaben gibt keine Gewinner, alle werden verlieren! Außer Frontex, denn die bekommen mehr Geld und mehr Befugnisse. Und die rechtswidrige Pushback-Praxis an den EU-Außengrenzen soll nun legalisiert werden.

Machen wir weiter in der Textarbeit: Sie schreiben von „Mindeststandards für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung Schutzsuchender“ an den EU-Außengrenzen. Meine Frage an Sie: Glauben Sie das wirklich? Oder wollen sie nur, dass wir das glauben?

Was auf dem EU-Tisch liegt, ist doch etwas ganz anderes.

Da geht es um Haftlager an den EU-Außengrenzen für alle Asylsuchenden, um ein Screening durchzuführen, also Vorverfahren, in dem die Menschen in Gruppen einsortiert werden. Nach Alter, Herkunftsland und Transitländern.

Es geht um verpflichtende Grenzverfahren für alle EU-Mitgliedstaaten, auch für Deutschland im Übrigen, um beschleunigte Verfahren für Menschen aus Herkunftsstaaten mit einer Schutzquote unter 20 % durchzuführen.

Genauso, wie bei den beschleunigten Verfahren für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, gibt es hier eine Beweislastumkehr und verkürzte Rechtsmittelfristen. Und das ohne aufschiebende Wirkung.

Selbst wenn Menschen es schaffen würden zu klagen, könnten sie trotzdem rückgeführt werden, ohne das gerichtliche Verfahren abzuwarten. Das widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Es geht um Kinder, die in Haftlager kommen, wenn sie mit ihren Familien an einer EU-Grenze ankommen und nicht allein unterwegs sind. Keine Mindeststandards. Kein Richter*innenvorbehalt. Kein Einhalten der Kinderrechtskonvention.

Was reden Sie sich denn da schön? All das verstößt gegen internationales Völkerrecht. Wir haben es hier mit massiven Asylrechtsverschärfungen zu tun. Wir schützen doch keine Geflüchteten dadurch! Das Framing, was Sie hier betreiben, ist unglaublich. Haben Sie wenigstens den Mumm, ehrlich zu sagen, worum es geht!

Unsererseits wird es hierzu keine Zustimmung geben. Wir Grüne stehen für eine ehrliche humanitäre Asylpolitik und werden uns weiterhin konsequent gegen Regelungen einsetzen, die dem internationalen Flüchtlingsrecht widersprechen.

Die Grüne Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein steht geschlossen in dieser Frage. Und zwar nicht nur zu den sicheren Herkunftsstaaten. Wir verurteilen auch das deutsche Abstimmungsverhalten im EU-Rat und distanzieren uns davon.

Und eine letzte Frage: Seit wann ist eine Einigung auf EU-Ebene eigentlich ein Wert an sich? Wenn gleichzeitig durch diese Einigung, all die Werte, für die die EU einstehen soll geopfert werden?

Sollte in den Trilog-Verhandlungen dem GEAS-Paket zugestimmt werden, wird es die Wertegemeinschaft, wie wir sie kennen, in dieser Form nicht mehr geben. Und das ist zu verhindern.

Catharina Nies

Sprecherin für Migration, Flucht, Frauen, Gleichstellung, Familie, Kinder, Kita