Bibliotheken sollten Orte für gelebte Gemeinschaft sein

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 23 – Mehr Öffnungszeiten in öffentlichen Bibliotheken ermöglichen

Dazu sagt die kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Uta Röpcke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geerehrte Damen und Herren,

Heckenschere, Hula Hoop Reifen, Ukulele, Longbord, Nähmaschine – manchmal möchte man Dinge einfach nur ausprobieren und nicht gleich kaufen. Das geht auch an vielen Orten in Schleswig-Holstein in der „Bibliothek der Dinge“, oft mit dem Hinweis „Sharing is Caring“. Eine VR-Brille testen, Dias oder Fotos digitalisieren, ein Geschenk aus Schokolade in einem 3D-Drucker herstellen oder Saatgut tauschen – auch das geht heute schon in Bibliotheken mit digitalen Knotenpunkten. Unsere Bibliotheken wandeln sich vom Bücherlager – der griechische Ursprung des Wortes – zum Wissens- und Begegnungsort der Zukunft.

Dass diese Zukunft schon heute Realität sein kann, zeigen auch Beispiele aus Skandinavien: In der Deichman-Bibliothek in Oslo und im Dokk1 in Aarhus können Bürger*innen neue Personalausweise beantragen, Konzerte hören, Räume mieten, lernen und arbeiten, Freunde treffen oder Fahrräder reparieren. Und das von Montag bis Freitag, von 8 -22 Uhr und auch am Wochenende.

Auch in Schleswig-Holstein, in Norderstedt, entsteht ein solches „Haus für alle“, das neue Bildungshaus, das 2025 eröffnet werden soll. Die Vision für diesen „Dritten Ort“ ist, dass er am Ende mehr sein soll als die Summe seiner Teile: einer Bibliothek, einer Volkshochschule und einem Stadtarchiv.

Gemeinsam ist allen diesen so genannten „Dritten Orten“ die gelebte Offenheit, also Barrierefreiheit im besten Sinne: Jede*r – ob mit oder ohne Geld – hält sich dort gerne auf und ist willkommen. Es sind Orte für gelebte Gemeinschaft und die muss es natürlich auch am Wochenende geben.

Der im Antrag des SSW genannte Bundesbibliotheksverband konstatiert: Bibliotheken sind die am stärksten genutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen in Deutschland. Bibliotheken sind also kein „nice to have“, sondern Teil der Daseinsvorsorge eines lebendigen und sozialen Gemeinwesens und gleichzeitig Orte kultureller Bildung.

Schon seit Jahren wird bundesweit zu dem Thema „Öffnungszeiten für Bibliotheken“ diskutiert. Und in der Tat ist dies auch die richtige Ebene, denn eine Anpassung des Bundesarbeitszeitgesetzes würde verhindern, dass alle anderen 15 Bundesländer jeweils für sich dem Beispiel von NRW folgen und eigene Regelungen erlassen, die wiederum zu Klagen führen könnten.

NRW hat – im Gegensatz zu Schleswig-Holstein – seit 2021 ein umfängliches Kulturgesetzbuch und dieses beinhaltet auch die Bibliotheken als Kulturorte. NRW ist darüber hinaus das einzige Bundesland, das Bibliotheken in seine Bedarfsgewerbeverordnung aufgenommen hat. Damit ist dort geregelt, dass Bibliotheken auch an Sonn- und Feiertagen mit Personal öffnen können, denn sie sind, genauso wie Museen oder Theater, Kulturorte und erfüllen besondere Bedürfnisse. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat nun grade diese Landesverordnung in seinem Urteil vom 1. Juni für rechtmäßig erklärt.

In der vergangenen Plenartagung haben wir im Rahmen der Debatte zum Musikschulfördergesetz auch über allgemeine Kulturgesetzgebung beraten. Bis dahin ist es für Schleswig-Holstein aber noch ein weiter parlamentarischer Weg. Daher ist es gut, dass eine bundesweite Regelung auch das Ziel der Ampel-Koalition ist. Im Koalitions-Vertrag der Ampel heißt es: „Wir wollen öffentliche Bibliotheken als Dritte Orte stärken und Sonntagsöffnungen ermöglichen.“

Dies könnte gelingen, indem Paragraph 10 des Bundesarbeitszeitgesetzes, in dem in Absatz 7 die Ausnahmen geregelt werden und bislang beispielsweise Vergnügungseinrichtungen, Museen oder wissenschaftliche Präsenzbibliotheken benannt sind, „wissenschaftlich“ und „Präsenz“ gestrichen werden. Dann könnten die Bibliotheken insgesamt als Ausnahmefälle gelten.

Ob die Sonntagsöffnung der Lebensrealität der Menschen in Schleswig-Holstein entspricht, wie der SSW-Antrag es fordert, ist eine zu beantwortende Frage. Vielleicht müssen wir in Schleswig-Holstein auch zuerst andere Schritte gehen und über eine generelle Ausweitung der Öffnungszeiten auch innerhalb der Woche nachdenken. Vielleicht müssen wir zuerst die Fahrbibliotheken und den Landesbüchereiverein in seiner Arbeit stärken und für die Verbreitung von „open library“-Konzepten im Land sorgen, wie sie auch vom Landesbüchereiverein vorgeschlagen werden. Also nach und nach mit der räumlichen Umgestaltung einiger Bibliotheken beginnen.

Den Vorschlag des SSW, über all dies im Rahmen des Kulturdialogs und des Strategieprozesses des Landes zur kulturellen Infrastruktur nachzudenken, begrüßen wir daher. Nicht zuletzt, weil die Kommunen als Träger ebenfalls Teil der Lösung sein müssen.

Der niederländische Architekt und „Creative Guide“ Aat Vos ist Experte dafür, aus Bibliotheken „Öffentliche Wohnzimmer“ zu machen, in denen Menschen gerne ihre Freizeit verbringen. Nichtkommerzielle Orte, die alle Menschen aus einem Dorf oder einer Stadt – von jung bis alt, von arm bis reich – individuell nutzen und dabei gleichzeitig miteinander verbinden.

Auch das Bildungshaus in Norderstedt wird zu so einem Ort weiterentwickelt. Ich bin schon sehr gespannt darauf. Lassen Sie uns über den besten Weg zur Weiterentwicklung der Schleswig-Holsteinischen Bibliothekslandschaft gemeinsam im Ausschuss beraten.

Vielen Dank!

Uta Röpcke

Parlamentarische Geschäftsführerin

Sprecherin für Erwachsenen- und Weiterbildung, Kultur, Denkmalschutz