Demokratie ist nichts, was man besitzt, sondern etwas, das man tut

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 21ff – Keine Toleranz bei Drohungen, Schmähungen und Verunglimpfungen u.a.

Dazu sagt die kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Uta Röpcke:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz und gründete damit die Bundesrepublik Deutschland. Die ersten 19 Artikel bilden mit der Formulierung der Grundrechte die Grundlagen unserer Demokratie.

Welches der Grundrechte hat für Sie persönlich die größte Bedeutung? Artikel 1 und 2, aus denen sich individuelle Freiheit und Selbstbestimmung ableiten lassen? Oder Artikel 3, der ein diskriminierungsfreies Leben in Gleichheit vor dem Gesetz und in Absatz 2 die Gleichberechtigung von Mann und Frau garantiert?

Für viele zugewanderte Menschen sind Glaubens- und Meinungsfreiheit, also Artikel 4 und 5, von besonderer Bedeutung, denn oft sind diese in ihren Heimatländern nicht geschützt, führen zu persönlicher oder politischer Verfolgung und sind dann berechtigte Asylgründe.

Für mich persönlich sind alle diese Artikel wichtig, für meine parlamentarische Arbeit hat Artikel 5 Absatz (3) „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ eine besondere Bedeutung. Der öffentliche Diskurs in diesem Kontext wird nicht erst seit dem 07. Oktober letzten Jahres besonders heftig geführt. Aber über das Thema Antisemitismus und Kunstfreiheit werden wir in diesem Parlament ja morgen noch einmal ausführlicher sprechen.

In den letzten Monaten sind Millionen Menschen in Deutschland für unsere Demokratie auf die Straße gegangen. Warum beschäftigen nicht nur uns, sondern auch die Öffentlichkeit in diesem 75. Jubiläumsjahr Fragen um die Geschichte und die Bewahrung unserer Grundrechte besonders?

Weil wir alle – das zeigt auch die aktuelle Antragsanlage und diese Debatte – besorgt sind um unsere Demokratie. Gemeinsam wehren wir uns gegen zunehmende Drohungen gegen Mandatsträger*innen. Gemeinsam streiten wir Schulter an Schulter für eine freie, vielfältige und tolerante Gesellschaft. Gemeinsam wollen wir den Rechtsstaat und die demokratischen Institutionen stärken.

Darum werden wir dem Antrag zur „Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes“ der FDP zustimmen, auch wenn wir an einige Stellen andere Formulierungen gewählt hätten. Unter dem Bekenntnis zur Achtung der Werte des Grundgesetzes und seinem unbedingten Schutz können wir uns vereinen.

Was mir darüber hinaus besonders wichtig ist, ist die Frage, wie es gelingen kann, diese Forderung in die Praxis umzusetzen. Das Stichwort „Demokratiebildung“ ist in dem Antrag enthalten und gibt einen Hinweis darauf. Bereits im Märzplenum haben wir uns in diesem Parlament einstimmig – allerdings ohne Aussprache – hinter einigen guten Vorschlägen, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, vereint. Haben die kritische Reflexion von Verfassungsanspruch und Wirklichkeit an Bildungs- und Kultureinrichtungen ausbuchstabiert und dabei die Bedeutung ihrer praktischen Erfahrbarkeit hervorgehoben.

So wie ich werden viele von Ihnen auch in diesen Tagen und Wochen an den Schulen unterwegs sein, zu lebendigen Europaprojekttagen oder im Rahmen des erfolgreichen Demokratiebildungsformats dialogP. So wird unsere Demokratie erlebbar und erfahrbar gemacht und Politik sowie Politiker*innen nahbar.

Dass dies ein zentraler Punkt ist, zeigt auch die aktuelle NDR-Umfrage zum Thema „Demokratie unter Druck?“ bei der bei dem Fragenkomplex zu Defiziten der Demokratie immerhin 75 Prozent der Befragten der Aussage „Die führenden Politiker leben in ihrer eigenen Welt, aus der sie auf den Rest hinabsehen.“ voll oder eher zustimmten. Sogar 89 Prozent war der Zustimmungswert zu „Viele Politiker sind nur auf ihre Wiederwahl bedacht und denken nicht langfristig.“

Diese Umfrageergebnisse stimmen mich nachdenklich. Es braucht uns alle, diese Sicht auf die Arbeit von Politiker*innen in einer Demokratie – auf unsere Arbeit – zu verändern. Dabei helfen nur Dialogformate und Aufklärung. Und ein Verständnis dafür, dass Demokratie uns alle braucht.

Frei nach Carolin Emcke, die dies 2016 bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels über die Freiheit sagte, sage ich: Demokratie ist nichts, was man besitzt, sondern etwas, das man tut.

Vielen Dank.

Uta Röpcke

Parlamentarische Geschäftsführerin

Sprecherin für Erwachsenen- und Weiterbildung, Kultur, Denkmalschutz