Von Anfang an digital denken

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 40 – Einführung eines Digitalchecks

Dazu sagt die digitalpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,

wir alle kennen es: Antrag online raussuchen, ausdrucken, unterschreiben und dann einreichen. Bestenfalls eingescannt als E-Mail, alternativ per Brief oder – besonders aufwändig – per persönlichem Erscheinen auf dem Amt. Und beim nächsten Antrag beginnt der Kreislauf von vorne, denn dieselben Dokumente müssen bei einer kleinen Änderung alle nochmals eingereicht werden.

Dass das alles digitaler gehen kann, wissen wir alle. Mit der Digitalstrategie und dem Abbau digitaler Hemmnisse sind wir bereits dabei, bestehende Verfahren zu digitalisieren. Wie sieht es aber mit Verfahren aus, die neu eingeführt werden? Wie wäre es, wenn wir Verwaltungsabläufe von Anfang an digital denken, anstatt erst im Nachhinein über Digitalisierung und Entbürokratisierung zu sprechen? Wenn wir uns bereits vor der Gesetzgebung die Frage stellen, wie digital und automatisiert die Verwaltungsabläufe sein können?

Genau dafür haben wir vor etwa einem Jahr einen Antrag gestellt und die Regierung gebeten, Möglichkeiten eines Digitalchecks für die Landesgesetzgebungsverfahren und das Kabinett aufzuzeigen. Der vorgelegte Bericht zu Möglichkeiten eines Digitalchecks umfasst in dieser Ausgestaltung drei Komponenten:

  1. Gesetze werden so ausgerichtet, dass sie direkt digital oder sogar automatisiert angewendet werden können.
  2. Die Verwaltung arbeitet grundsätzlich digital. 
  3. Die Interaktion zwischen Staat und Bürger*innen läuft vorrangig digital.

Der erste Punkt ist klar der Kern des Checks. Für einen solchen Check würde ein Screening auf Digitaltauglichkeit bereits vor dem Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht werden. Ergibt das Screening fehlende Digitalität, wird nach Lösungen gesucht, die Prozesse digitaler oder automatisierter zu gestalten. Das ist absolut sinnvoll. Oftmals sind Prozesse analog geübt und nicht jede Person mit Fachkompetenz hat auch direkt die umfassende Digitalkompetenz, einen Prozess digital zu durchdenken. Ein solcher Check kann an dieser Stelle helfen, eine Schriftformerfordernis zu streichen oder ein persönliches Erscheinen zu reduzieren.

Allerdings kann es kompliziert werden, wenn es um die Automatisierung von Verwaltungsabläufen geht. Bei der Bewilligung eines simplen Antrags ist das noch recht leicht. Die Unterlagen werden maschinell gelesen, der Bedarf festgestellt und in wenigen Sekunden kann eine Auskunft erteilt werden – alle profitieren. Bei der Abwägung verschiedener Interessen wird es dann komplex. Ich nehme mal das kürzlich debattierte Thema Denkmalschutz und Photovoltaik.

Eine Automatisierung braucht klare Kriterien, damit der Ermessensspielraum möglichst gering, im Idealfall gar nicht vorhanden ist. Nur dann können Angaben maschinell überprüft und bewilligt werden. Doch gerade der Wunsch, Photovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden zu ermöglichen, auch wenn sie baulich sichtbar ist, führt zu einem großen Ermessensspielraum. Denn wer gibt die Kriterien vor, bei welchen denkmalgeschützten Gebäuden die PV-Anlage oder Wärmepumpe installiert werden darf? Wer kann allgemeingültig vordefinieren, welche Gebäude besonders schützenswert sind?

So eine Entscheidung ist mit einer Abwägung verschiedener Kriterien gegeneinander verbunden. Das macht eine Automatisierung sehr schwer. Insofern ist ein Digitalcheck mit dem Ziel der Automatisierung sinnvoll, darf aber nicht grundsätzlich über Fachverfahren priorisiert werden. Das müssen wir bei der späteren Ausgestaltung des Digitalchecks berücksichtigen.

Einen Aspekt möchte ich noch betonen: Die Digitalisierung im Land ist immer nur so weit wie die Bevölkerung. Und der gerade veröffentlichte Digital-Index ist ein Arbeitsauftrag an uns, bei der fortschreitenden Digitalisierung nicht die Digitalkompetenz der Bürger*innen zu vergessen. Zwar sehen mehr als die Hälfte der Bevölkerung positive Chancen durch die Digitalisierung, bei der Digitalkompetenz geht das Bild aber deutlich auseinander. Viele Menschen fühlen sich immer weniger vorbereitet auf die Digitalisierung.

Wir haben also klare Hausaufgaben zu machen: Digitale Kompetenzen müssen besser in der Breite vermittelt werden, um den Vorrang der Digitalität in der Verwaltung auch auf beiden Seiten umzusetzen. Immerhin nutzen 43 Prozent der Befragten ChatGPT als Informationsquelle und Suchmaschine. Wenn ich diese allerdings fragen würde, wer hier regiert, wäre das ein Wurf zurück in die Vergangenheit zu Jamaika.

Vielen Dank!

Nelly Waldeck

Sprecherin für Mobilität, Klimaschutz, Schifffahrt, Digitales, Netzpolitik, Soziales, Jugend und Antidiskriminierung