Wir müssen Schleswig-Holstein sturmfest machen. Standhaft in den Stürmen von heute, morgen und denen der Zukunft!

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 1 – Die Folgen der Sturmflut bewältigen und unseren Küstenschutz stärken – Schleswig-Holstein steht zusammen

Dazu sagt der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Lasse Petersdotter:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zuvorderst, auch in der inhaltlichen Priorität, möchte an dieser Stelle unsere aufrichtige Dankbarkeit ausdrücken. Es ist nicht nur dem Glück und der guten Vorbereitung zuzuschreiben, dass Schlimmeres verhindert wurde, sondern auch der Leistung zahlreicher Menschen zu verdanken!

Den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Einsatzkräfte und Helfer*innen, die vor, während und nach der Sturmflut mit viel Professionalität und Zusammenhalt gehandelt haben, aber auch den zahlreichen ehrenamtlichen Helfer*innen und Mitarbeitenden, die bis heute die Aufräum- und Reparaturarbeiten bewältigen, sind wir ausgesprochen dankbar.

Und natürlich – denn das kommt oft etwas zu kurz – vielen Dank an all die Familienangehörigen, die in den letzten Tagen und Wochen auf ihre Liebsten verzichten mussten, weil diese im Einsatz waren oder bis heute noch sind. An Tagen wie diesen gucken viele nicht auf die Stechuhr und fehlen dann an anderer Stelle. Diese Bereitschaft ist nicht selbstverständlich.

Viele von uns in diesem Saal haben sich in den letzten Tagen ein eigenes Bild von den Sturmschäden gemacht. Das ist gut und richtig, weil sich einige Lagen erst erfassen lassen, wenn man sie sieht. Auch die positiven Geschichten, wenn man beispielsweise hört, dass Nachbar*innen den Helfenden Kuchen bringen.

Ich war beispielsweise in meinem Wahlkreis Kiel-Nord unterwegs. Im Olympiahafen Schilksee sind über 40 Boote gesunken und massive Schäden an der Hafeninfrastruktur entstanden. Ein Hafen, der über Kiel hinaus eine wichtige Bedeutung hat. Als Olympiastandort und auch als Dreh- und Angelpunkt der Kieler Woche.

Das Ausmaß der Sturmflut wurde in den letzten Tagen immer deutlicher. Flensburg und Arnis hat es besonders hart getroffen. In Flensburg lag der Höchststand bis 2,23 Meter über Mittelwasser. Zuletzt wurde ein vergleichbarer Wasserstand im Jahr 1904 gemessen.

Das zusätzliche Problem war aber nicht nur die Höhe der Wasserstände, sondern die lange Dauer der Sturmflut. Umso wichtiger und hilfreicher waren die sehr frühzeitigen und gut kommunizierten Warnungen. Die Schäden sind trotzdem an vielen Orten massiv.

Einmal mehr hat sich gezeigt, wie viel Kraft hinter solchen Naturkatastrophen steckt. Dabei ist es gut, dass die Landesdeiche nur verhältnismäßig leicht beschädigt wurden. Gebrochen sind sie gar nicht. Das ist auch Ergebnis der guten und gewissenhaften Arbeit des Landesbetriebs Küstenschutz!

Regionaldeiche sind teilweise stark beschädigt und vereinzelt sogar gebrochen. Hier muss es jetzt höchste Priorität haben, diese Deiche zügig wieder zu ertüchtigen, um vor neuen Stürmen geschützt zu sein.

Es ist gut, dass Tobias Goldschmidt angekündigt hat, die Regionaldeiche stärker zu begutachten, um mögliche Umwandlungen in Landesdeiche zu prüfen. Aber auch dies nur da, wo es sinnvoll ist und unterstützt wird.

Darüber hinaus ist die Landesregierung vorgestern bei den zugesagten Hilfen wichtige Schritte vorangekommen. Land und Kommunen stellen aktuell einen Schaden von 200 Millionen Euro an öffentlicher Infrastruktur, Daseinsvorsorge, touristischer Infrastruktur und Küstenschutz fest. Diesen Schaden werden wir gemeinsam mit den Kommunen beheben.

An dieser Stelle werden alle sagen: Das muss zügig und unbürokratisch erfolgen! Und wer sollte etwas dagegen haben? Ja, zerstörte Infrastruktur, die ähnlich wieder aufgebaut wird, sollte nicht wie ein neues Bauwerk erneut alle Ebenen der Genehmigungen bewältigen müssen. Unbürokratisch bedeutet aber auch, dass Kriterien und Regeln gelten. Für Grenzfälle kann das sehr ungerecht wirken. Je mehr die Grenzen aber verschwimmen und viele sagen: „Das ist jetzt aber gesondert zu betrachten“, desto mehr Bürokratie wird es geben.

Die Alternative wäre natürlich: Dann setzt die Grenzen so weit nach Außen, dass alles erfasst ist. Politisch ist das verlockend, aber wir schaffen damit natürlich einen Standard, der bei kommenden Naturkatastrophen erwartet wird. Ich finde wichtig, transparent zu machen, dass das eine große Aufgabe ist. Denn letztlich sind auch die Hilfen des Staates am Ende Steuergelder. Und das gilt auch für einen Notkredit innerhalb der aktuellen Regeln der Schuldenbremse. Die Tilgungsregeln verlangen das.

Dieses Beispiel zeigt, dass wir uns auch grundsätzlichen Fragen für die Zukunft stellen müssen. Schleswig-Holstein steckt in diesen Tagen eine Jahrhundertsturmflut in den Knochen. Ein Extremwetterereignis. Ich bin 33 Jahre alt, die Anzahl der Jahrhundertwetterlagen weisen eine statistische Auffälligkeit auf. Rekordhitze, Rekordflut, Rekordhochwasser, Rekordsturm – Ich habe zu viele davon bereits erlebt.

Auch wenn es beunruhigend ist: Das war sehr wahrscheinlich nicht die letzte Jahrhundertsturmflut in meinem Leben. Und verstehen Sie mich dabei bitte nicht als Untergangspropheten. Die Klimakrise erhöht die Häufigkeit von Extremwetterlagen. Das ist Fakt.

Als Land zwischen den Meeren trifft uns das auf besondere Weise. Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen halben Meter bedeutet, dass eine Sturmflut, die heute statistisch alle 100 Jahre vorkommt, dann alle zehn Jahre zu erwarten ist. Nach aktuellem Stand wird das in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts der Fall sein. Das klingt sehr weit weg, aber ich gehe 2057 erst in Rente, sollte Friedrich Merz vorher noch Kanzler werden, sogar noch später.

Selbst wenn wir es schaffen, das 2-Grad-Ziel einzuhalten, wird der Meeresspiegel bis etwa 2100 um einen halben Meter steigen. Wer heute geboren wird, wird dieses Datum erleben. Wird in dieser Welt leben. Es geht also heute schon sehr konkret darum, wie wir künftige Generationen, aber auch uns selbst vor den zu erwartenden Naturkatastrophen schützen. Und Schlimmeres verhindern.

Diesen Teil will ich heute nicht zu sehr ausbreiten. Berlin, Bremen und das Saarland gehen den Weg, auch große Klimaschutzmaßnahmen über Kredite zu finanzieren. Ich halte diesen Weg für richtig.

Heute geht es aber eher um die andere Seite der Medaille, um Klimaanpassungen. Im Jahr 2012 erlebte Kopenhagen nach einem Jahrhundert-Starkregen eine Jahrhundertflut. Dem folgte ein massiver Umbau der Stadt, um künftig besser vor Hochwasser geschützt zu sein.

Ich bin davon überzeugt, dass auch wir in Schleswig-Holstein ähnliche Schlüsse ziehen sollten. Und auch andere Lehren ziehen, ebenso aus Dänemark, wo für Entschädigungen nach Naturkatastrophen feste Strukturen existieren, um Versicherungsfragen und Staatsverantwortung zügig zu klären.

In meinen Gesprächen über die Schäden der Sturmflut hieß es immer schnell: „Sollten wir jetzt wirklich alles wieder so aufbauen, wie es war? Oder sollte der Wiederaufbau zukunftsfest sein?“

Ich bin davon überzeugt, dass der Wiederaufbau zur Wirklichkeit der Zukunft passen sollte. Sanierungen an Stegen in Hafenanlagen bieten da ein gutes Beispiel. Sollen sie als festinstallierte Stege wieder so gebaut werden wie vorher? Oder ein paar Zentimeter höher? Oder sollen es schwimmende Stege werden? All das ist auch eine Frage der Kosten.

Im Großen wird das aus dem laufenden Haushalt kaum zu bewältigen sein. Weder für uns noch für die Kommunen. Ich halte es für richtig, genau diese Abwägung jetzt mit den Kommunen zu besprechen.

Darum: Ja, jetzt zügig das Unmittelbare bewältigen, helfen, unterstützen. Durch Überbrückungshilfen, aber auch durch den Wiederaufbaufonds. Durch unbürokratische Wege zum zügigen handeln. Auch durch Ausnahmen, dass etwa betroffene Kommunen, die jetzt Aufbauarbeit leisten, nicht am Ende in Konflikte mit der Kommunalaufsicht bei der Aufstellung ihrer Haushalte geraten.

Das ist alles richtig, aber wir sollten auch weiter blicken. Wir müssen Schleswig-Holstein sturmfest machen. Standhaft in den Stürmen von heute, morgen und denen der Zukunft!

Vielen Dank!